Treffpunkt Scheuermühle
sie wissen.
Axel holte tief Luft. Die Wahrheit konnte er unmöglich sagen. Doch schwindeln wollte er auch nicht. Also schwieg er ein paar Sekunden.
„Gut, dann werde ich ein Programm zusammenstellen“, beschloß die Tante. „Ich sage alle Reitstunden ab und stehe euch die ganze Zeit zur Verfügung. Wir können zum Beispiel nach Bad Ischl fahren und die Villa von Kaiser Franz Joseph besuchen. Ihr werdet staunen, wenn ihr in der prachtvollen Villa das Schlafzimmer des Kaisers seht. Dort gibt es nämlich kein Himmelbett aus Gold, sondern ein einfaches eisernes Bettgestell, einen eisernen Waschtisch und eine bescheidene Nachttischlampe. Außerdem findet ihr dort viele Erinnerungsstücke an die sagenumwobene Kaiserin Elisabeth, genannt ,Sissy’.“
Tante Clarissa machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Gleich danach gehen wir noch in die Konditorei Zauner. Diese Konditorei sieht genauso aus wie damals, als sie der Kaiser besucht hat. Außerdem bekommt ihr dort den köstlichen Zauner-Stollen. Eine knusprige Nougatspezialität!“
Axel geriet leicht ins Schwitzen. Das war nicht ganz in seinem Sinne. „Weißt du, Tante“, meinte er, „zuerst wollen wir eine Gruselparty veranstalten. Draußen auf den Wiesen und im Wald. Und dann kannst du meinen Freunden ja alles zeigen! Später... Okay?“
Die Tante runzelte ein wenig die Stirn, war aber einverstanden.
„Kommst du auch wieder, Julian?“ wandte sie sich an den anderen Jungen. Dieser schüttelte sofort heftig den Kopf. Er ahnte, was Axel vorhatte, und wollte nicht unbedingt dabeisein.
Zum Glück wußte Axel nicht, was ihm und den Knickerbocker-Freunden bevorstand. Sonst wäre er vielleicht auch lieber zu Hause geblieben...
Der geheime Eingang
Bereits am Donnerstag der nächsten Woche war es soweit: Die vier Junior-Detektive der Knickerbocker-Bande kauerten hinter einem Gestrüpp am Waldrand und ließen die Schauermühle nicht aus den Augen.
Dicke, graue Wolken hingen an diesem Tag vom Himmel, und über die Wiese schwebten immer wieder weiße Nebelschleier.
„Verhext sieht die Mühle aus“, stellte Poppi fest. „Wie ein verzaubertes Haus. Ich habe so ein ähnliches Haus einmal in der Grottenbahn in Linz gesehen“, erinnerte sie sich.
„Aber das Geheimnis dieser Mühle erscheint mir ganz und gar nicht wie ein Märchen, sondern wie eine Horrorgeschichte“, stellte Dominik fest. Wie immer drückte er die einfachsten Dinge äußerst kompliziert aus. „Nach Axels Beschreibung könnte es der Treffpunkt eines Geheimbundes sein. Vielleicht handelt es sich aber auch um den Sitz einer Verbrecherorganisation. Oder wir haben es mit Verrückten zu tun, die dunklen Gottheiten Opfer bringen.“
Poppi schauderte bei diesem Gedanken.
Lilo hatte bisher geschwiegen. In ihrem Kopf ging es dafür drunter und drüber. „Es muß einen Eingang in diese Mühle geben!“ Das stand für sie fest. „Er ist entweder unterirdisch oder an der Außenwand sehr gut versteckt.“
„Pssst! In Deckung!“ zischte Axel und deutete in Richtung Schleuse.
Die Kapuzen kamen wieder. Hastig zählte der Junge nach. Dreizehn! Es waren wieder dreizehn! Und wieder hatten sie diesen ohrenbetäubenden, lauten, klagenden Gesang angestimmt.
„Diese Melodie erinnert mich an etwas“, flüsterte Dominik. „Ich habe einmal einen Film über Fakire gesehen. Die stimmen auch manchmal solche Lieder an und versetzen sich damit in Trance.“
„Was soll das sein?“ wollte Axel wissen.
„Sie hypnotisieren sich selbst und spüren dann keinen Schmerz mehr!“ erklärte der Junge.
Plötzlich geschah etwas Unerwartetes. Der dreizehnte Kapuzenträger brach aus der Reihe aus.
„Er hat uns entdeckt“, schoß es Poppi durch den Kopf. Die anderen schienen ähnliche Gedanken zu haben, denn alle wichen ängstlich ein paar Schritte zurück, um im Schatten der hohen Bäume unterzutauchen.
Tatsächlich stolperte der Kapuzenmensch über die Wiese, direkt auf die Knickerbocker zu. Entsetzt hielten alle vier den Atem an.
„Wenn er noch näher kommt, rennen wir davon. Aber jeder in eine andere Richtung!“ flüsterte Lilo ihren Freunden zu.
Zu ihrer Erleichterung stellten sie aber gleich darauf fest, daß es der Maskierte nicht auf sie abgesehen hatte.
Ungefähr zehn Meter von ihnen entfernt blieb er stehen und riß sich die Kapuze vom Kopf. Das Gesicht und die grauen Haare einer älteren Dame kamen zum Vorschein. Hastig schlüpfte sie aus der grauen Kutte und schleuderte sie samt der Kapuze
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