Treibgut - 11
bieten. »Aber warum?« hauchte sie.
Er zuckte die Schultern: »Ich weiß es nicht. Ich habe nicht danach gefragt. Es ist mein Gewerbe. Man bezahlt mich dafür.«
Sie sah in dieses fremde Gesicht, das soviel jünger war als das, welches sie gekannt hatte: »Du bist kein Sklave und warst es auch nie.«
»Nein. Ich heiße Scheïjian, Scheïjian von Tarschoggyn, achtbares Mitglied der Bruderschaft vom Zweiten Finger Tsas. Behalte das für dich.«
»Vermutlich warst du auch nie in Neetha, und deinen Fürsten hat es auch nie gegeben«, sagte sie traurig.
»Auch damit hast du recht. Ich kenne Neetha nicht. Was den Fürsten anbelangt, so stimmt fast alles, was ich dir über ihn erzählt habe – bis auf die Tatsache, daß er kein Fürst in Neetha, sondern ein König meiner Heimat war und sein Name nicht Daripher lautete, sondern Dajin. Er ist immer noch beliebt, obwohl er seit zweihundert Jahren tot ist. Es gibt zwar keine Bauern, die behaupten, daß er noch lebt, aber dafür einige, die sagen, er sei wiedergeboren worden. Das ist wahr.«
Querinia schüttelte den Kopf: »Liva oder Scheïjian oder wie immer du heißen magst, du hast immer nur gelogen, du hast mich immer nur angelogen.«
»Aber dafür führe ich dich jetzt in die Freiheit, Querijida«, entgegnete er unwirsch.
»Querijida«, murmelte das Mädchen schwach, »ich heiße nicht Querijida, Querinia ist mein Name, Querinia. Er ist das einzige, was mir noch geblieben ist.«
Der Schwarzhaarige schaute lange in das entstellte einäugige Gesicht, schließlich sagte er sanft: »Dann soll es so sein.« Scheïjian ahnte in diesem Augenblick nicht, wieviel er Querinia noch nehmen würde.
Ich kenne niemanden, der nicht seine kleinen Sorgen mit den Eltern hätte. Es scheint, als gehe es an Müttern und Vätern spurlos vorüber, wie aus ihren Küken Männer und Frauen werden, die, flügge geworden, das Nest verlassen. Ihnen allen scheint die rührende Hoffnung zu eigen zu sein, daß diese Küken sich immer nur auf kurzen Ausflügen befänden. Meine Eltern unterscheiden sich in diesem Punkt nicht im geringsten von allen anderen, und sollte mir selbst einmal die Vaterschaft zuteil werden, dann werde ich mich wahrscheinlich um keinen Deut besser verhalten. Es ist schon seltsam, wie Rur die Welt eingerichtet hat, und bisweilen mache ich mich mit meinen Geschwistern darüber lustig. Allerdings ist das Vergnügen meist einseitig, denn meine Brüder und Schwestern wohnen zu Hause und haben, anders als ich, unser Dorf Tarschoggyn nie verlassen.
Es ist schon einige Jahre her, daß ich in der Gegend von Fasar einen Krieger namens Raschid traf. Ein Zufall hatte uns zusammengeführt; wir hatten uns angefreundet, und ich hatte ihm versprochen, bei der Queste zu helfen, auf der er sich befand. Es war ein riskantes Unternehmen, und Raschid war ziemlich verstimmt, als er herausfand, daß ich Magie einsetzte, und zwar keine harmlose, sondern eine ziemlich endgültige Form der Zauberei. Ich hatte Mühe, mich anschließend herauszureden, denn den unbedarften kleinen Perlfischer aus Sinoda, als den ich mich ausgab, wollte Raschid mir nun nicht länger glauben. Also gab ich zu, ein Jahr auf der Akademie in Tuzak verbracht zu haben, was sogar stimmt. Ich denke, Raschid muß seither eine sehr hohe Meinung von dieser Schule haben, wenn ihre Zöglinge, selbst die gescheiterten, schon nach dem ersten Jahr eine so furchtbare Macht besitzen. Allerdings ist Raschid von Hesinde nicht überreich mit Geistesgaben gesegnet worden. Wie für Leute seines Standes üblich, hatte er nachher wegen meines angeblich unehrenhaften und unrondrianischen Verhaltens noch viel zu nörgeln. Aber ich hatte nie behauptet, ein braver Diener der Kriegsgöttin zu sein. Ich weiß schließlich, was ich sage. Das mußte er dann doch zugeben.
Da wir gerade in der Gegend waren, lud er mich ins Haus seiner Mutter ein, die in Fasar lebt. Ich habe noch genau vor Augen, wie Raschid und ich nebeneinander auf der kleinen Holzbank saßen, gegenüber seine Mutter, diese aufgeregte kleine Frau, die fast einen Schritt kleiner war als ihr Sohn, dazwischen das Tischchen mit den Teeschalen und dem wirklich leckeren Gebäck. Was wir erlebt hätten, wollte die alte Dame wissen. Ja, sagten wir, einigen Bauern seien wir beigestanden, tapfer, wie es der Frau Rondra gefällt. Dazu hätten wir einige Leute kräftig vermöbeln müssen. Das mit den Bauern stimmte, doch irgendwie trauten wir uns nicht, dieser stolz auf ihren
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