Treibgut - 11
hinnimmt, hat seinen Preis, den ich für gewöhnlich nach einigen Tagen des Betteins an die Kinder zu entrichten habe. Sie wollen sehen, wie Magie wirkt, und können sehr beharrlich in der Durchsetzung ihrer Wünsche sein. Meist belasse ich es bei einer Taschenspielerei, die ich auf meinen Reisen erlernt habe und die überhaupt nichts mit Magie zu tun hat. Bisweilen gelingt mir das, manchmal kommen sie mir auf die Schliche, dann wird es Zeit für den Schrecklichen Lichtzauber. Er ist wirklich schrecklich und gehört zu meinen größten Leistungen.
Im Grunde ist es nicht sonderlich schwer, die astralen Kräfte so zu lenken, daß sich auf der Hand eine leuchtende Kugel manifestiert, wenn man die Technik einmal beherrscht. Allerdings habe ich ja angeblich wegen zu geringer Fähigkeiten die Akademie verlassen. Also demonstriere ich meinem kleinen Publikum, wie außerordentlich schwierig das Wirken von Magie ist. Das heißt, ich stöhne und winde mich, ich halte die Luft an und presse, bis mein Kopf so rot angelaufen ist wie ein blühender Jiranstrauch, plappere wie ein Verwirrter und mache die absonderlichsten Verrenkungen. Gleichzeitig versuche ich noch, die tatsächlich notwendigen Bewegungen für diesen Zauber auszuführen und die richtigen Worte dafür in diese wirre Litanei einzuflechten, ohne mich allzuoft dabei zu verhaspeln. Bei alldem bin ich umgeben von über einem Dutzend Kinder, die neugierig nach vorn drängeln, sich gegenseitig schubsen, miteinander streiten, sich ängstlich mit großen Augen hintereinander verstecken und alles andere als leise sind. Es ist nicht einfach, sich unter diesen Umständen auf das Geflecht der astralen Linien zu konzentrieren, und ich habe nie verstanden, warum Rur die Welt so eingerichtet hat, daß meine Nichten und Neffen entweder laut kreischen oder stumm sind. Ein Zwischending scheint es für sie nicht zu geben.
Zum Glück liegt unser Dorf etwas abseits im Dschungel des maraskanischen Binnenlands. Diese Abgeschiedenheit verhindert, daß mein Ruf als Schöpfer des Allerschrecklichsten Lichtzaubers in die Ferne dringt und sich zahllose Adepten und Meister der Kunst auf die lange Wallfahrt nach Tarschoggyn begeben, nur um herauszufinden, warum jemand mit dem gleichen Aufwand, mit dem ein anderer ein Tor in den Äthrajin öffnen könnte, nicht mehr bewirkt als das Erscheinen einer kleinen Sphäre aus Licht.
Eine höchst beliebte Frage, nicht nur beim Kleinvolk, sondern auch bei meinen Geschwistern und Eltern, lautet seit drei oder vier Jahren: Sedu, wann gehst du den Kreis? Sie meinen damit, wann ich ihnen eine Gefährtin präsentiere, mit der ich den Traviabund zu schließen gedenke. Meine häufigste Antwort ist, daß ich noch keine Schreiberin gefunden habe, denn das müsse sie wohl sein, weil ich auch ein Schreiber sei. Außerdem müsse sie mit der Zinsspindelmaschine umgehen können. Anschließend erkläre ich, was das ist. Ich habe die undeutliche Vorstellung, daß es etwas damit zu tun hat, wie die Festumer Kaufleute ihre Dukaten zählen. Raschid hat es mir einmal ausführlich erklärt, und ich hatte schon damals den Eindruck, daß derjenige, von dem Raschid es hatte, auch nicht wußte, wozu diese Maschine gut sein mag. Dementsprechend fällt meine Erklärung aus. Für das Kleinvolk reicht es. Meine große Schwester hat mir erzählt, daß die Kinder inzwischen fest davon überzeugt sind, daß ich eine Kutscherin zur Frau nehmen will.
Die Erwachsenen sind etwas hartnäckiger. Ich dachte, das Thema sei vom Tisch, als ich vor einiger Zeit Pryxla mitbrachte. Sie hat wunderschönes Haar, leuchtend wie ein Sonnenaufgang vor Boran, und ist eine Hexe (die besagte), noch dazu eine Tochter Satuarias, das heißt, sie wird nie altern und auch dann, wenn ich selbst schon bedenkliche Ähnlichkeit mit meinem Großvater haben werde, was das Schicksal verhindern möge, noch immer so jung aussehen wie damals, als ich sie traf. Sie behauptete, etwa zehn Jahre älter zu sein als ich. Vielleicht hat sie mich aber aus Eitelkeit belogen, und es sind wesentlich mehr Jahre. Ich kann es nicht beurteilen. Allerdings ist das ein Punkt, über den ich sie nie genauer befragt habe. Selbst als weitgereister Magier wird man nicht gern daran erinnert, daß die Geliebte nicht von einer Frau geboren wurde wie andere Menschen, sondern aus einem Ei geschlüpft ist.
Jedenfalls dachte ich, das Thema sei ausgestanden, bis ich die Bemerkung machte, daß ich sie schon längere Zeit nicht mehr gesehen hatte.
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