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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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sich den aufsteigenden Geruch zur Nase.
     
    Währenddessen …
    … träumte Imelde. Sie war wieder ein Kind und badete im Meer. Sie tauchte, spielte Fangen mit bunten Fischlein und erfreute sich an der wunderbaren Leichtigkeit, die sie trug. Als sie atemlos auftauchte, sah sie zur Linken und Rechten ein schilfbestandenes Ufer und erkannte mit Schrecken, daß sie nicht im freien Meer schwamm, wie sie geglaubt hatte, sondern in den trüben Wassern des Hanfla. Entsetzt versuchte sie, das vor ihr zurückweichende Ufer des Flusses zu erreichen, bevor sie eines der zahlreichen Krokodile bemerkte. Ein Schatten fiel auf sie. Es war eine gewaltige Flutwelle, die den Fluß hinunterbrauste und sie zusammen mit Schilf, Baumstämmen und anderem Treibgut tosend und wirbelnd ins Meer spülte. Als das schäumende Toben aufgehört hatte, sah sie einen einzelnen Fisch auf sich zuschwimmen, mehr als einen Schritt lang, der Körper wie eine fette Schlange. Es war ein Grüner Brabacuda, der geradewegs auf sie zuhielt. Wie gelähmt beobachtete sie sein Näherkommen, sah die spitzen Zähne des offenen Rachens, aus dem schwarze Wolken ins Wasser quollen. Entsetzt erkannte sie, daß der halbe Kopf skelettiert war, ein Auge gar aus seiner Höhle heraushing. Als er sie erreicht hatte, sprach der Fisch zu ihr. Imelde verstand ihn nicht.
    … lag Curma wach auf ihrem Lager. Sie dachte an das Kind, das in ihr heranwuchs, und fürchtete sich. Sie dachte an die Tochter, die sie einst gehabt hatte und die in ihrem sechsten Lebensjahr weiterverkauft worden war. Sie hatte Angst, daß es mit diesem Kind genauso geschehen könnte. Ein Schluchzen wollte sich den Weg aus ihrer Kehle bahnen, aber sie verhinderte es, indem sie die Hand in den Mund schob und schmerzhaft darauf biß. Niemand sollte von ihrer Trauer erfahren.
    … setzte sich Querinia auf ihrem Strohsack auf. Sie konnte nicht schlafen, denn die Wunden juckten unter dem Verband, doch traute sie sich nicht zu kratzen, da es dann weh tat. Sie fühlte sich matt, müde und schwach, wollte ruhen, aber wenn sie lag, war es schlimmer, denn ein dumpfer Schmerz kroch ihr in die Stirn. Ihr war heiß, sie war durstig. Verzweifelt schaukelte sie mit dem Oberkörper vor und zurück.
    … stand Thesares aus ihrem Bettchen auf. Sie schlief nicht, aber sie war auch nicht wach. Ihre Strohpuppe unter dem Arm, traumwandelte sie zur Tür.
    … öffnete Sica die Tür und ging zur Treppe. Er dachte an Curma, die ihm heute eröffnet hatte, daß ihre Tage ausgeblieben waren. Es war eine gute Nachricht für ihn, denn er liebte Kinder. Er freute sich auf dieses Kind, er freute sich auf Curma, unter deren Decke er kriechen würde, sobald er seine letzte Pflicht für diesen Tag erledigt hatte.
     
    Liva hatte sehr genaue Vorstellungen davon, welcher Art die Flüssigkeit in dem kleinen Behältnis war. Um seinen Verdacht zu erhärten, träufelte er ein paar Tropfen auf ein Löffelchen und hielt es in die Flamme der letzten brennenden Kerze. Sogleich änderte sich deren Farbe von warmem Gelb zu einem grellen Grün. Liva kannte dieses Gift. Es war nicht das Gift eines Wald-und-Wiesen-Meuchlers, es war teuer und von geringer Haltbarkeit. Ganz zufällig brachte man es sicherlich nicht mit zu einem Essen. Vermutlich wäre der liebe Freund Marno ohnehin bald vor Boron getreten. Nicht sofort, sondern etwa in einer Woche. Sein Tod wäre scheinbar vom Schlagfluß verursacht worden. Es mochte sich lohnen, nachzuprüfen, was der verblichene Herr Wulweshjoden noch in seinem Gepäck mit sich führte. Die Tür öffnete sich mit einem Quietschen. Der Zauber hatte seine Wirkung verloren.
     
    Sica blieb wie angewurzelt in der offenen Tür stehen. Zu seinen Füßen erkannte er den leblosen Körper Alriscas, ein Stück entfernt, in einer Blutlache von mehreren Schritt Durchmesser, seinen Herrn, am Tisch die vornübergekippte und zweifellos ebenfalls tote Gestalt des Gastes. Dunkle Spritzer befleckten die Wände, der Raum sah schlimmer aus als eine Schlachtkammer. Ganz zuletzt bemerkte er einen weiteren Anwesenden, einen undeutlichen Schemen, der sich über eine grünflackernde Kerze gebeugt hatte. Keuchend taumelte der Sklave zurück und ließ die Kerzen fallen, die er hatte austauschen wollen. Die Gestalt richtete sich auf, ihre ehemals weiße Kleidung war von einer dunklen Flüssigkeit getränkt. Sica nahm sich nicht die Zeit herauszufinden, wer das blutbefleckte Ungeheuer war, sondern fuhr herum und rannte den dunklen Gang entlang. Er

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