Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treibgut der Strudelsee

Treibgut der Strudelsee

Titel: Treibgut der Strudelsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
eines jungen Mädchens. Mythor schätzte Farins Alter auf sechzehn, höchstens siebzehn Sommer.
    Die kleinen Hände zu Fäusten geballt und Tränen der Wut und Verzweiflung in den Augen, stand sie nun vor Jejed und blickte ihn trotzig an. Und dem Moronen, der noch nie viel Federlesens gemacht hatte, schien die unerwartete Entdeckung die Sprache verschlagen zu haben.
    Dann grinste er. »So, du hast dich also an Bord geschmuggelt, wohl als Junge verkleidet, um den Fängern in die Arme zu laufen!« Wieder lachte er schallend. »Hast wohl einen Liebsten hier, eh? Sag schon, Kleine, wer ist es?«
    Sie brauchte nicht zu antworten. Wieder erklang von den weiter hinten gelegenen Bänken ein Schrei, und als Mythor sich umwandte, sah er einen dunkelhäutigen Recken, kaum viel älter als Farin, wie er sich aufgerichtet hatte und an den Handfesseln zerrte.
    »Er ist es?« fragte Jejed grinsend. »Dann soll er deinen Platz einnehmen! Wahrhaftig, du bist auf Deck besser aufgehoben!«
    Was er damit meinte, daran ließen seine Blicke kaum einen Zweifel. Auf Befehl ihres Kapitäns machten sich zwei Seefahrer daran, den Jüngling von seiner Bank zu holen.
    »Golad!« schrie das Mädchen entsetzt.
    Der Recke hatte nun die Hände frei und schlug einen der Aufseher nieder. Bevor der zweite seine Überraschung verdaut hatte, lag auch er zwischen den Ruderern. Golad sprang mit einem Satz über ihn hinweg und stürmte auf Jejed zu.
    So schnell, dass Mythor Mühe hatte, der Bewegung zu folgen, fuhr die linke Hand des Moronen zur rechten Armschiene. Als er sie wieder zurückzog, saß ein fingerlanges Insekt mit messerscharfen Scheren auf seinem Handrücken. Blitzschnell schlang er den Arm um Farins Hals.
    »Noch einen Schritt, und du kannst dir ein neues Liebchen suchen!« donnerte er den Jüngling an.
    Wie vom Blitz getroffen blieb Golad stehen. Farin weinte leise und sah ihn flehend an.
    Mythor erschauerte und hielt den Atem an. Das also war Zirpe, mit der Jejed gedroht hatte. Ein Tier, das er offenbar ständig unter der Armschiene trug, klein und tödlich.
    »Lass sie los!« rief Golad mit bebender Stimme. Hinter ihm sprangen gleich vier Seefahrer auf die Ruderbank und drückten ihm ihre Dolche in den Rücken.
    »Was glaubst du, was ich bin?« fragte der Morone höhnisch. »Ein Kindermörder? Ihr wird schon nichts geschehen, wenn ihr vernünftig seid, mein Junge.« Jejeds rechte Hand fuhr durch das pechschwarze Haar des Mädchens und löste es, dass es ihr lang über die samtbraunen Schultern fiel. »Jedenfalls nichts, was sie nicht verträgt.«
    »Bei allen Göttern«, stieß Golad schwer atmend hervor. »Dafür wirst du sterben, Morone!«
    Die Ohnmacht des Jünglings, das Entsetzen in Farins Augen, die wie erstarrt sitzenden Ruderer, all das schien Jejed köstlich zu amüsieren. Er gab seinen Männern einen Wink, und sie schleppten Golad zum frei gewordenen Platz zwischen Mythor und dem Weißhaarigen. Als er angebunden war, ließ der Kapitän das Insekt wieder unter der Armschiene verschwinden.
    »Schafft sie nach oben!« befahl er seinen Männern.
    »Ich schwöre es dir, Morone!« schrie Golad. »Dafür…«
    »Rudere!«
    Die Peitsche fuhr auf den Rücken des Jünglings herab, zwei-, dreimal. Golad biss die Zähne zusammen und blickte Jejed hasserfüllt an.
    »Auch ihr anderen! Habe ich etwas von Aufhören gesagt? Das Spektakel ist vorbei! Rudert!«
    Noch einmal knallte die Peitsche. Dann folgte der Kapitän den anderen aufs Deck. Einige seiner Männer blieben zurück und sorgten dafür, dass sich die Legionäre gehörig ins Zeug legten.
    »Ich bringe ihn um«, knurrte Golad, während sich seine Muskeln spannten.
    »Dann sieh zu, dass du selbst am Leben bleibst«, flüsterte Mythor.
    Zum erstenmal sah Golad ihn an. Er hatte einen Fluch auf den Lippen, doch irgend etwas im Blick des Kriegers ließ ihn verstummen.
    *
    »Aß und Baß… na und?«
    Steinmann Sadagar und Chrandor hatten sich wieder einmal von der Arbeit davonstehlen können und hockten zwischen etlichen großen Holzkisten im Heck des monströsen Schiffes. Nur hier fanden sich solche Versteckmöglichkeiten, ansonsten war das gesamte Deck so gut wie leer. Es gab keine Segel, also auch keine Masten. Die zwanzig Dutzend Legionäre, die die Ruderer bald ablösen sollten, waren unter Deck zusammengepfercht. Hier oben standen nur die skelettartigen Aufbauten, in denen die Vorräte und die ledernen Schlafsäcke hingen, in die die Mannschaft sich zum Ruhen einrollen konnte. Ein

Weitere Kostenlose Bücher