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Treibgut der Strudelsee

Treibgut der Strudelsee

Titel: Treibgut der Strudelsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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Stück davor befand sich die Unterkunft für den Magier und den Kapitän.
    Sadagar und Chrandor hatten sich unter eine quer auf zwei anderen liegende Kiste verkrochen. Immer hielt einer von ihnen Ausschau nach Jejeds Männern, die die Kinder und Altersschwachen auf Deck traktierten und sie vielleicht vermissen würden. Die Bürste, mit der er die Planken schrubben sollte, war noch in der Hand des Steinmanns.
    »Na und?« fragte Chrandor bissig. »Das ist alles, was du dazu sagst? Du mit deinem angeblichen Schutzgeist?«
    »Der Kleine Nadomir ist kein angeblicher Schutzgeist!« versetzte Sadagar und spielte den Entrüsteten. »Du wirst ihn schon noch kennenlernen!«
    »Dann zeig ihn mir, Angeber! Beschwöre ihn!«
    Sadagar winkte ab. »Doch nicht für jeden hergelaufenen Hanswurst.«
    »Hanswurst!« Chrandor stieß die Luft aus. »Ich! Ich sage dir, es ist noch nicht sehr lange her, da zitterten die Seefahrer der Strudelsee vor Chrandor! Es gab keinen gefürchteteren Piraten als mich!«
    »Dann müssen die Piraten hier allesamt harmlose Gesellen gewesen sein.«
    Chrandor musterte den Steinmann eine Weile schweigend. Der Regen prasselte auf die Kisten. Erste Blitze zerrissen das Halbdunkel des Himmels, und von Osten her rollte Donner über das Meer. Die Aufseher brüllten Befehle.
    Chrandor war nicht viel größer als Sadagar. Unzählige Narben verunstalteten sein Gesicht, dessen Zierde eine übergroße Nase war, über der die rostroten Brauen zusammengewachsen waren. Chrandors nasse Haare standen ihm weit vom Kopf ab. Auch der Regen hatte sie nicht zu bändigen vermocht. Ein Krausbart verstärkte noch den Eindruck eines wilden Mannes, genau wie die abenteuerliche, bunte Kleidung, die der ehemalige Pirat am Leibe trug.
    »Sieh her!« sagte er schließlich. »Meine Hände wurden mir abgeschlagen, als die Schergen des Shallads mich erwischten.«
    »Das ist kein Beweis. Jedem kleinen Dieb, der sich fangen lässt, schlägt man die Hände ab.«
    »Sadagar, du bist ein sturer Hund!«
    »Und du ein Aufschneider, der sich durchs Leben schwindelt! Wenn sie dir die Hände abgeschlagen haben, warum bewegen sie sich dann?«
    Chrandor grinste und hob die Arme mit den bis zu den Ellbogen reichenden Stulpenhandschuhen. Und tatsächlich bewegten sich alle zehn Finger wie winzige Schlangen, als er sie dem Steinmann entgegenstreckte.
    »Aß und Baß, meine linke und meine rechte Hand. Oh, es waren derer viele, die ihr Geheimnis erfahren wollten, Freund.«
    »Humbug«, wehrte Sadagar großspurig ab. »Fauler Zauber. Dir hat keiner die Hände abgeschlagen. Und mit deinen seltsamen Bewegungen beeindruckst du mich auch nicht.«
    »Nein, Freund Steinmann?« Chrandor kicherte. »Wir werden sehen.«
    Liebevoll ließ Chrandor eine Hand die andere streicheln. Es war gerade so, als schmiegten sich die Finger aneinander. Obwohl Sadagar noch nie einen Menschen gesehen hatte, der dermaßen gelenkig war, winkte er, scheinbar unbeeindruckt, ab. In Wirklichkeit war er aber mehr als neugierig. »Freund Chrandor, du gefällst mir. Aber du solltest nicht so viel dummes Zeug reden.«
    Tatsächlich war es Freundschaft auf den ersten Blick gewesen, als die beiden sich kurz nach dem Auslaufen der Gasihara zum erstenmal begegnet waren. Beide hatten es geschafft, sich vor den Ruderbänken zu drücken. Sadagar war das nicht sonderlich schwergefallen, denn er war wahrhaftig nicht der Kräftigsten einer. Aber Chrandor…?
    Jetzt begann der Bärtige sogar, mit seinen Händen zu reden!
    Sadagar schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf und streckte diesen dann aus dem Versteck, um nach Jejeds Männern Ausschau zu halten. Noch schien man sie nicht zu suchen, und mit etwas Glück sollte es ihnen gelingen, sich wieder unter die auf dem Deck Kriechenden zu mischen, ohne dass ihre selbstverordnete Ruhepause bemerkt worden wäre.
    »Wir müssen zurück«, sagte der Steinmann.
    »Natürlich, natürlich«, nickte Chrandor. »Damit du dich drücken kannst.«
    »Wovor?«
    »Den Schutzgeist zu beschwören.«
    Sadagar seufzte gequält. »Was ein echter Schutzgeist ist, der lässt sich nicht wegen nichts beschwören!«
    »Natürlich, natürlich.«
    »Natürlich, natürlich!« äffte der Steinmann Chrandor nach. »Und außerdem würdest du ihn gar nicht sehen können. Das kann nur ich!«
    »Aber natürlich, Freund.« Chrandors Augen wurden zu zwei schmalen Schlitzen. Pfiffig grinste er Sadagar an. »Dann lass ihn etwas tun, an dem ich sehen kann, dass er dir

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