Treibgut
plötzlich der Schweiß aus und sein Pulsschlag beschleunigte sich. Verlier jetzt bloß nicht die Nerven, ermahnte er sich und biss die Zähne zusammen. Denk lieber darüber nach, wie du das Problem lösen kannst. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
Allmählich spürte er seine Kaltschnäuzigkeit zurückkommen. Er würde eine Lösung finden. Gleich wurde ihm wohler. Ein warmes und angenehmes Gefühl durchflutet ihn. Doch nur für einen Augenblick. Dann waren seine Gedanken wieder bei Lea.
Sie war für ihn lediglich Mittel zum Zweck gewesen. Er hatte sie benutzt und sich ihrer danach wie eines lästigen Insekts entledigt. Für ihn zählte nur das Ziel, nicht der Weg. Dafür hatte er seine Leute. Ein von ihm in Auftrag gegebener Mord ohne Spuren. Bislang hatte sich niemand dafür interessiert. Warum ausgerechnet jetzt?
War er zu unvorsichtig geworden, hatte die Macht des Geldes überschätzt? Unmöglich! Ein Zittern ging durch seinen Körper. Geld und die daraus resultierenden Beziehungen hatten seinen Wünschen stets die notwendige Überzeugungskraft verliehen. Egal ob es darum ging, einen unliebsamen Bullen zum Schweigen zu bringen oder einen Staatsanwalt.
30
»Gerade hat Bruno angerufen«, empfing ihn Leona bei seiner Rückkehr. »Er wollte mit dir sprechen. Konnte dich aber nicht erreichen, weil besetzt war.«
»Man wird ja wohl noch telefonieren dürfen.« So barsch hatte Henning das gar nicht sagen wollen. Dass es sich trotzdem so anhörte, lag daran, dass in seinem Kopf ein Sturm aus Fragen tobte, der es nicht zuließ, einen klaren Gedanken zu fassen. Edmund Marks und Lea. Das ergab einfach keinen Sinn. Warum hatte es ausgerechnet dieses Kind sein müssen? Was verband die beiden miteinander? Er wusste es nicht, ihm war nur klar, dass die daraus resultierenden Möglichkeiten kaum dazu angetan waren, seine Befürchtungen zu zerstreuen. Im Gegenteil: Wenn der Typ wirklich so skrupellos war, wie die über ihn kursierenden Gerüchte vermuten ließen, bestand vielmehr Grund zu tiefer Besorgnis. Mit einer verzweifelten Geste raufte Henning sich die Haare.
Leona kannte ihn mittlerweile gut genug, um in seinem Gesichtsausdruck und der Art, wie er sich gab, wie in einem offen Buch lesen zu können. »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«, wollte sie wissen, ehe sie ihm voller Ungeduld aus seinem feuchten Mantel half und ihn mit sanftem Druck vor sich her ins Wohnzimmer schob.
»Tut mir leid, ich war in Gedanken«, entschuldigte sich Henning, dem erst jetzt auffiel, wie aufgekratzt sie wirkte. Wie jemand, der soeben eine sensationelle Entdeckung gemacht hatte.
Während er sich einen Reim auf ihr seltsames Verhalten zu machen versuchte, wies Leona mit dem Kopf zur Couch.
»Besser du setzt dich erst mal.« Ihre Worte ließen ihn aufhorchen.
»Klingt ja geheimnisvoll.«
»Ist es auch.« Sie nickte. »Bruno …«
»Lass mich raten«, kam Henning ihr zuvor, der plötzlich ahnte, was sie sagen wollte. »Er hat dir von Astrid erzählt.«
Damit schien Leona nicht gerechnet zu haben. Ihr erstaunter Gesichtsausdruck veranlasste ihn, zu ergänzen: »Ich habe schon heute morgen mit ihm telefoniert.«
Seine Stimme war flach und ausdruckslos. Genauso gut hätte er ihr einen Vortrag über das Paarungsverhalten von Wanderameisen halten können. Das Schlimmste aber war, dass ihm das gar nicht bewusst zu sein schien.
Als ihre Blicke sich begegneten, konnte Leona nicht länger an sich halten. »Scheint dich ja mächtig beeindruckt zu haben, was Bruno über Astrid und ihre Tochter herausgefunden hat!« Sie holte tief Luft, um noch etwas hinzuzufügen, als Hennings Kopf nach vorn schnellte.
»Was sagst du da?«, rief er verwundert aus. »Astrid hat eine Tochter?«
»Die, wenn ich Bruno recht verstanden habe, nicht nur genauso alt wie Lea ist, sondern ihr auch verblüffend ähnlich sieht.« Leona musterte ihn besorgt. »Ich dachte, das wüsstest du?«
31
Am nächsten Morgen erhielt Henning einen Anruf von Edmund Marks. »Tut mir leid, dass ich gestern so kurz angebunden war«, entschuldigte sich der Bauunternehmer. »Ich hab noch mal darüber nachgedacht, was Sie gesagt haben.«
»Dann ist Ihnen also noch etwas eingefallen?«
»Dazu möchte ich mich lieber nicht am Telefon äußern.«
»Verständlich«, meinte Henning. »Sagen Sie mir einfach, wo und wann wir uns sehen können.«
»Wie wär’s mit morgen Abend? Sagen wir so gegen neun?«
Die von Edmund Marks als
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