Treibhaus der Träume
alles bereit«, sagte Lorentzen, als sie in seinem Arbeitszimmer waren und zur Begrüßung einen Kognak tranken. »Darf ich die Herren zum Vortrag in den Vorraum bitten.«
Was Lorentzen dann den Professoren und den Beamten vortrug, war eine nüchterne Krankengeschichte von lächerlicher Einfachheit. Schaubilder, Fotos, Röntgenmusteraufnahmen unterstrichen seine Worte.
Eine Frau will eine neue Nase haben. Man setzt nach Herausnahme des verwachsenen Nasenbeines eine Kunstharzprothese ein, die vorher mit einem Schnitzmesser zurechtgeschnitten wurde. Die neue Nase ist fertig. Gearbeitet wird nur von innen. Die Operation gelang ohne Komplikationen, alle sterilen Vorsichtsmaßnahmen waren erfüllt – eine Operation, wie sie schon Hunderte Male gemacht worden ist. Und dann, plötzlich, durch eine akute, sich rasend verbreitete Sepsis der Exitus.
Der I. Staatsanwalt war sichtlich verblüfft. Für einen medizinischen Laien ist die Konstruktion einer neuen Nase an sich schon ein Wunderding. Mit einem Schnitzmesser eine neue Nase … das ist'n Ding, dachte er.
Für Prof. Ploch stand alles fest … nur die Autopsie konnte nun Klarheit bringen. Anders dagegen reagierte Prof. Sahrein; Lorentzen hatte es nicht anders erwartet.
»Wieso nehmen Sie Kunstharzprothesen?« fragte Sahrein höflich. Aber schon diese Frage eröffnete einen Kampf.
»Das ist heute üblich, Herr Professor.«
»Davon bin ich noch gar nicht überzeugt.« Sahrein nahm eine der Rohprothesen in die Hand und ließ sie auf der Handfläche schaukeln. »Soviel ich weiß – und ich bin kein Dummerle –, nimmt man in der Chirurgie bei Knochenauswechslungen körpereigene Stücke. Knochen aus dem Becken des Patienten oder von einer Rippe. Alle Fremdkörper werden vom Körper später abgestoßen, das ist eine alte Weisheit.«
Dr. Lorentzen sah in den Augen des Staatsanwaltes Staunen und Mißtrauen aufflackern. Sahrein hatte genau das erreicht, was er wollte … Verwirrung.
»Die moderne Chirurgie, vor allem aber die Wiederherstellungs- und kosmetische Chirurgie hat neue Wege gefunden. So wie man heute künstliche Busen durch Verpflanzung von Kunststoffschwämmen zwischen Brustdrüse und Rippen macht – man nimmt dazu Kunststoffe wie Ivalon, Polystan oder Polyäthylen –, so setzt man jetzt auch künstliche Knochen aus Kunstharz ein.«
»Und verliert Patienten«, sagte Sahrein sarkastisch.
»Es kann weder an der Prothese noch an der Operation liegen.« Die Stimme Lorentzens bemühte sich, die innere Erregung nicht zu spiegeln. »Es muß andere Ursachen haben. Das wird die Obduktion zeigen.«
Prof. Sahrein musterte die Rohlinge der Nasenbeine. Sie sahen wie Knochen aus, nur war ihre Oberfläche mit vielen kleinen Löchern durchbohrt. Das war nötig, damit in diese Löcher Gewebe einwuchs und der Kunstknochen unverrückbar an seiner Stelle blieb. Früher nahm man dazu Elfenbein, dachte Sahrein. Ein starres Material, das leicht wieder splitterte oder brach. Wortlos legte er die Prothese zurück auf den Tisch und nahm einen Schluck Kognak.
»Gehen wir zu der Toten«, sagte er dann. »Ohne Grund stirbt niemand.«
Das war eine weise Feststellung, der niemand widersprach.
Die Obduktion, die Prof. Ploch leitete, war gründlich. Zwar meckerte Sahrein über die Notoperation Thorlachts, die viele Erkennungsmöglichkeiten ausgeräumt habe, aber er mußte zugeben, daß in der Stunde der Not allein der Erfolg maßgebend war und nichts anderes mehr.
»Das ist merkwürdig«, sagte Prof. Ploch, als er Mageninhalt, einen Blutbildabstrich und die Schleimhäute im Nasen-Rachenraum untersucht hatte. »Schon beim ersten Blick fällt das auf.«
»Was denn?« fragte Sahrein trocken. Auch er hatte sich bei der Obduktion gewundert. Das typische Kokkenbild des Blutes, eine Reaktion der Milz, eine Überschwemmung von Bakterien, wie es bei einer Sepsis üblich ist, fehlten. Außerdem zeigte das Herz im Coronarsystem deutliche Veränderungen; ein schwerer Herzfehler wurde diagnostiziert, der sich in den vergangenen Monaten kompensiert haben mußte.
»Die Frau ist an keiner Sepsis gestorben.«
Dr. Lorentzen spürte eine heiße Welle durch sich ziehen. Noch wußte er nicht: Kam jetzt sein Todesurteil als Arzt – oder wurde es sein Freispruch.
»Todesursache?« fragte Sahrein knapp.
»Eine leichte Vergiftung, die zu einer Dekompensation des Herzens führte.«
Der I. Staatsanwalt bekam einen harten Gesichtsausdruck. Vergiftung ist im Sprachgebrauch der Justiz immer ein
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