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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich ab und überließ es Thorlacht, das Tuch wieder über das Gesicht der Toten zu ziehen. »Wir werden kämpfen müssen, Thorlacht. Kämpfen, einsam und allein, gegen Vorurteile, gegen Falschmeldungen, gegen böswillige Behauptungen, gegen Verleumdungen, gegen bewußte Lügen. Die ganze Skala ärztlicher Kollegengemeinschaft wird abrollen. Ein Meer von Schmutz wird gegen uns anbranden und uns ertränken wollen. Wir müssen durch eine Kloake schwimmen.«
    »Ich werde immer zu Ihnen stehen, Chef!« sagte Thorlacht fest. Lorentzen lächelte bitter.
    »Sie und ich gegen eine Welt der Lüge. Glauben Sie, daß wir da gewinnen können?«
    »Ihre Patienten werden zu Ihnen halten.«
    »Sie Idealist. Ein gezeichneter Arzt ist ein Aussätziger. Die Zimmer werden leer stehen, und Sie werden sich fühlen wie in einem Leichenhaus. Nur der Erfolgreiche wird geliebt … diese bittere Lehre werden auch Sie noch schlucken, Thorlacht. Auf dieser Welt ist nur der etwas, in dessen Glanz sich die anderen spiegeln können. Verblaßt die Sonne, ziehen die Sonnenanbeter weg zum nächsten Wärmespender.« Er atmete tief und verließ mit schnellen Schritten den OP. In seinem Arbeitszimmer hob er den Hörer auf, und seine Stimme war klar wie immer, als er anordnete: »Rufen Sie München an. Den Oberstaatsanwalt. Und dann Professor Sahrein.«
    Dann zögerte er, aber schließlich wählte er doch die Nummer der Schönheitsfarm. Marianne Steegert war selbst am Telefon. Ihre Stimme klang ganz klein und wie aus weiter Ferne.
    »Du?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Ich habe einen Toten.«
    »Was … hast … du …?«
    »Heute vormittag ist eine Frau an Sepsis gestorben. Ich brauche dir nicht zu sagen, was das bedeutet …«
    »Ich komme sofort zu dir, Lutz. Sofort!«
    Er widersprach nicht, legte langsam den Hörer zurück auf die Gabel.
    Sie kommt, dachte er. Wie gut das ist.
    Wie gut es ist, einen Menschen in der Not zu haben.
    Wen habe ich denn auf der Welt …?
    An dem Nachmittag dieses Tages hatte der alte Patz eine Aussprache mit seiner Tochter Ilse. Sie fand im Zimmer des Kur-Hotels von St. Hubert statt und war so laut, daß die kaffeetrinkenden Damen auf der Terrasse sich in der Ruhe gestört fühlten und sich beim Ober beschwerten, nicht einmal sein Stückchen Torte könne man in Frieden verzehren.
    »Ein hysterisches Luder bist du!« schrie der alte Patz. »Soll der ganze Laden in die Brüche gehen, nur weil du dämliches Frauenzimmer nicht mit ihm im Bett liegst?«
    »Aber Paps!« sagte Ilse Patz tadelnd. »Wie sprichst du mit mir?«
    »Den Buckel rutsch mir runter! Da habe ich geschuftet wie ein Lastesel, ich habe Millionen zusammengekratzt, aber etwas habe ich verpaßt: dir ab und zu eine zu kleben! Jawohl! Ich hätte dich durchprügeln sollen mit Knüppeln und Lederriemen, wie's mein Vater bei mir gemacht hat! Geschadet hat's nicht!« Der alte Patz hieb mit der Faust auf den Tisch. »Muß es gerade der Doktor sein?«
    »Ja!« sagte Ilse laut.
    »Es gibt Tausende andere Männer.«
    »Das verstehst du nicht, Paps.«
    »Aber ich verstehe, welch eine dämliche Kuh ich als Tochter habe!« schrie der alte Patz.
    »Du ziehst das Geld also nicht heraus?«
    »Nein!«
    »Hat er dich beschwatzt?«
    »Mich beschwatzt keiner!« brüllte der alte Patz. »Ich bin mein eigener Herr! Dieser Doktor ist ein Ehrenmann! Ich ziehe meinen Hut vor ihm! Das ist besser, als wenn du dich vor ihm ausziehst!«
    »Wie du willst.« Ilse Patz hob die Schultern und lächelte maliziös. »Ich habe nie darüber gesprochen, aber das bedeutet nicht, daß ich keine Zahlen kenne oder ein Dummerchen bin. Als Mama starb, hat sie mir allein ihr Erbteil vermacht. Es beträgt zwei Millionen und steckt in deinem Baugeschäft. Da ich achtundzwanzig Jahre alt bin, habe ich das Recht, mein Erbteil zu fordern.« Sie streckte die Hand wie ein Bettler aus. »Also, bitte … mein Erbteil von Mama.«
    »Einen Schmarrn kriegst du!« knurrte der alte Patz. Ihm juckte es unter der Hirnschale. So ein Aas, dachte er betroffen. Das ist meine Tochter. Sie will mir das Wasser abdrehen. So einen Satan habe ich in die Welt gesetzt.
    »Auch gut.« Ilse hob die schönen Schultern. »Ich werde es mit Dr. Hallerbach besprechen, meinem Anwalt. Man kann Erbteile auch einklagen.«
    In diesem Augenblick platzte in dem alten Patz so etwas wie ein überblasener Ballon. Es machte knack in ihm, er holte weit aus und schlug Ilse mit seiner großen, breiten Hand schallend ins Gesicht. Sie wurde wie von unsichtbaren

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