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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ich doch Weihnachten und Silvester nach Madeira …«
    »Ich operiere Sie übermorgen.« Dr. Lorentzen machte einen Eintrag in die Karteikarte. »Eine für diese Woche angesagte Patientin kommt erst in sechs Tagen. Sie haben Glück, das Zimmer ist frei. Und in sechs Tagen ist alles vorbei, Herr Rappel.«
    »Ja, dann ist alles vorbei«, sagte Rappel doppelsinnig. Er schämte sich plötzlich. Welch phantastischer Mensch, dachte er. Er befreit mich von meiner Narbe. Und ihn soll ich in die Pfanne hauen?
    Es war das erstemal, daß Horst Rappel keinen Spaß an seinem Beruf hatte, Sensationen auszugraben.
    Der alte Patz war ebenfalls in die Klinik eingezogen, in das Zimmer der gestorbenen Frau Alberts. Er war weder abergläubisch noch zart besaitet. Zufrieden setzte er sich auf das Bett, klopfte Schwester Frieda auf das Hinterteil und sagte: »Ich muß mich mal im Spiegel besehen, ob ich noch andere Stellen habe, die operiert werden können. Bei Ihnen, Schwester Frieda, möchte ich 'ne Zeitlang bleiben.«
    An dem Nachmittag, als Lorentzen den Anruf aus München bekam und nachher Horst Rappel untersuchte, schlenderte der alte Patz am Zaun entlang, der die chirurgische Klinik von der Schönheitsfarm trennte. Wie allen Männern war es auch ihm verwehrt, das geheiligte Gelände weiblicher Schönheitssuche zu betreten. Besuchte er seine Tochter, kam er wie ein normaler Besucher männlichen Geschlechts nur bis ins Besuchszimmer.
    Dort, wo der Bergwald begann und die Wiese aufhörte, sah der alte Patz in einem Liegestuhl eine schlanke Gestalt. Sie lag im Schatten der Bäume, hatte einen großen, bunten Strohhut auf dem Kopf und einen einteiligen Badeanzug an. Sachverständig, denn der alte Patz war noch nie ein Frauenhasser gewesen, blieb er stehen und betrachtete die Gestalt. Sehr nett, stellte er fest. Lange Beine, feste Schenkel, ein Mordsbusen, kruzitürken. Und die Haut ist glatt und braun.
    Die Frau drehte den Kopf etwas zur Seite, sah den Mann jenseits des Zaunes an und wandte sich dann wieder ihrem Buch zu. Sie ist um die Vierzig, dachte der alte Patz. Das ist die Kragenweite eines alten Witwers. Er dachte an seine Tochter Ilse und wackelte fröhlich mit der Nase.
    »Ein schönes Buch«, sagte er und drückte die Stirn gegen den hohen Maschendraht. Die Frau warf einen Blick über den Buchrand.
    »Sie kennen es?«
    »Aber ja. ›Maikäfer im September‹. Neue Welle …«
    »Ich lese ›Lotte in Weimar‹ von Thomas Mann.«
    »Was Sie nicht sagen! Der gleiche Einband! Ich hätte schwören können, es war der ›Maikäfer‹. Wie man sich täuschen kann.«
    »Nicht wahr?« Die Dame reckte sich, sicherlich nur der Bequemlichkeit wegen, aber ihr Busen kam in der neuen Lage noch gewölbter aus dem Badeanzug. Der alte Patz leckte sich über die Lippen.
    »Lotte in Weimar«, sagte er. »Jaja … ich war auch schon einmal in Weimar. Josef in Weimar. Ich heiße Josef. Josef Patz.«
    »Cornelia van Heerstraten.«
    »Nein!« Der alte Patz schlug in die Hände. »Aus der alten Familie der Heerstraten aus Utrecht? Ihr Papa hat das Wöchnerinnenheim in Leyden gebaut, nicht wahr?«
    »Nein. Mein Vater war Minister.«
    »Immer diese Irrtümer!« Der alte Patz rappelte an dem hohen Drahtzaun. »Wir sollten weitere Pannen vermeiden, gnädige Frau. Dazu gehört, daß wir uns länger unterhalten. Darf ich vorschlagen, daß …«
    »Nein! Ich habe praktisch Hausarrest.« Cornelia van Heerstraten zog den Hut tiefer über ihr Gesicht. Es war hübsch, das erkannte der alte Patz fachmännisch, nur sehr rot, wie eine Krebshaut. »Die nächsten drei Tage gehe ich nicht aus. Ich habe eine starke Akne, und Fräulein Marianne hat mir ein Peeling gemacht mit diesem russischen Wunderbrei. Nun schäle ich mich und sehe aus wie eine fleckige Tomate.«
    »Das macht nichts.« Josef Patz steckte die Nase durch ein Gitterquadrat wie ein kleiner, schnüffelnder Hund. »Dann gehen wir hier spazieren.«
    »Immer am Draht entlang? Das ist wenig romantisch.«
    »O nein. Der kluge Josef hat eine Drahtschere mit. Was halten Sie von heute abend? Treffpunkt hier. Sie sollen erleben, wie ich diese Festung hier aufknacke.«
    Cornelia van Heerstraten lachte. Sie legte ›Lotte in Weimar‹ ins Gras und sah den alten Patz offen an. Die Musterung war günstig. Wer den alten Patz kennt, weiß, daß er ein richtiges Mannsbild ist. Sein langes Witwerdasein hatte ihn gut konserviert.
    »Sie sind Patient von Dr. Lorentzen?« fragte sie.
    »Ja. Wegen der Ohren.«
    »Sie sind gar

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