Treibhaus der Träume
an der Tür. Dicki lächelte breit und zufrieden.
»Was hast du?« hörte er Rosa Balleks Stimme an der Tür. »Was ist passiert? Mach auf, Kleiner!«
Dicki schwieg. Als Rosa weitersprach, zog er die Bettdecke über seine Ohren und schlief bald darauf erschöpft ein.
Im Keller II fand man die Spuren des Kampfes. Dr. Lorentzen, Dr. Thorlacht, der II. Assistent und zwei Pfleger waren sich nur einig in der Frage: Was wollte der Unbekannte gerade in Keller II? Ein Labor anzünden ist so ziemlich das Gefährlichste. Würde es ihm gelungen sein, so wäre es nicht mehr nur eine Tat der Beunruhigung gewesen, als die man die erste Brandstiftung ansah. Diesmal hätte die ganze Klinik vernichtet werden können. Und es hätte Tote gegeben.
Wieder kam die Polizei in die Almfried-Klinik, deren Name langsam wie Hohn klang. Der glückliche Frieden der Natur war längst entschwunden. Es ließ sich diesmal auch nichts mehr verheimlichen; die Staatsanwaltschaft verhörte jeden Patienten und überprüfte seine Personalien.
Das war die einmalige Gelegenheit für Horst Rappel, jede Person der Klinik kennenzulernen. Da sie einzeln ins Chefzimmer geführt wurden, war es leicht, sie zu beobachten: Rappel setzte sich in einen kleinen Erker am Gang, an dem jeder vorbei mußte, der zu Dr. Lorentzen ging.
Der Mann mit dem großen Pflaster; der Mann, der die Koffer vom Münchener Hauptbahnhof geholt hatte, war nicht darunter. Als niemand mehr kam und Rappel die Schwester Frieda fragte: »Sind alle durch?« und sie das bejahte, wußte Rappel, daß diese Klinik tatsächlich ein Geheimnis barg. Aber wo? Zum Teufel – wo? Vom Keller bis zum Dach kannte Rappel nun alles.
Er wußte nicht, daß auch während des Verhöres eine Ausnahme gemacht wurde: Der Mann, der sich ›Graf Rethberg‹ nannte, brauchte nicht zum Chefzimmer zu kommen. Der Staatsanwalt ging zu ihm und blieb mit einem Protokollführer allein im Zimmer.
»Es ist selbstverständlich, daß alles vertraulich behandelt wird, Exzellenz«, sagte der Staatsanwalt beim Abschied. »Ich wünsche Ihnen eine baldige völlige Heilung.«
Er machte eine Verbeugung und war froh, wieder aus dem Zimmer zu sein. Der Anblick des ›Grafen‹ war nicht gerade schön. Man hatte seinen Unterarm durch eine Naht mit der Wange verbunden, um so einen lebensfähigen Rundstiellappen zu überpflanzen. Nun lief der ›Graf‹ herum mit einem Gesicht, an dem sein Arm hing. Es war das erstemal, daß der Staatsanwalt so etwas sah.
»Das ist doch eine langwierige Operation«, sagte er hinterher zu Dr. Lorentzen.
»Ja. Aber noch länger wird es dauern, bis wir aus diesem Rundstiellappen die plastische Deckung vollendet und dann die Nähte und Wundränder wieder soweit korrigiert haben, daß das Gesicht normal aussieht.«
»Und Sie meinen, Sie bekommen es hin?«
»Natürlich.«
»Das sagen Sie so sicher, Doktor.«
»Wäre ich mir nicht sicher, hätte ich die Operation abgelehnt.«
»Ihr Chirurgen seid Teufelskerle!« sagte der Staatsanwalt bewundernd. Dr. Lorentzen winkte lächelnd ab.
»Nur für den Laien, Herr Staatsanwalt. Machte die Natur nicht mit – und sie hat den entscheidenden Anteil an der Heilung –, dann wären wir ganz armselige Herumschneider. Es ist immer wieder ein Wunder, zu sehen, wie ein menschlicher Körper sich von innen heraus aufbaut.«
Nach zwei Tagen verließ die Polizei wieder die Klinik. Das Ergebnis der Untersuchungen war traurig. Außer Dickis Blut an Wand und Boden hatte man nur auf dem glatten Betonboden Striche von schwarzen Schuhabsätzen gefunden. Radierflecken, wie sie entstehen, wenn man über den Boden rutscht. Und eine Taschenlampe fand man. Ein Modell, wie es zu Millionen verkauft wird. Eine kleine Stablampe für zwei Batterien. Fingerabdrücke waren verwischt und unbrauchbar.
»Ich würde Ihnen raten, einen Nachtwächter einzustellen«, sagte der Staatsanwalt zu Dr. Lorentzen. »Sehen Sie: Die Stationsnachtwache genügt allein nicht. Und wenn dieser Czschisczinski nicht zufällig gekommen wäre …« Der Staatsanwalt lächelte breit. »Ein Glück, daß er gerade in dieser Nacht auf Bummeltour war. Sie sollten nach diesen Vorfallen wirklich für hundertprozentige Sicherheit sorgen.«
Am Wochenende schon hatte Dr. Lorentzen durch Vermittlung des Bürgermeisters von St. Hubert einen Nachtwächter gefunden. Er hieß Xaver Grundmoser und war von Beruf Holzfäller. Ein Baum von einem Kerl, mit Muskeln, die unter der Haut knackten, wenn er sie spannte. Aber seitdem ihm
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