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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einem Blumentopf, wandte sich schroff ab und verließ eilig das Zimmer.
    Der alte Patz hatte eine seltene Gabe, schicksalhafte Zufälle zu provozieren. So traf er auch jetzt mit seiner Tochter zusammen, als sie nach St. Hubert fuhr. Sie wollte unter fremden Menschen sein, nicht immer die Gesichter der Schönheitsfarm-Insassen sehen, die Erzählungen im Fernsehraum anhören, von den zu Hause gebliebenen Männern erfahren, daß sie Geld scheffeln, müde sind und schon einen Infarkt hatten. »Und plötzlich wird er ganz bleich, meine Liebe, und läßt sich in den Sessel fallen. ›Siehst du, Karl‹, habe ich gesagt, ›das kommt davon, wenn man Hummer und Rehkeule und Klöße alles hintereinander ißt und es auffüllt mit Wein und Bier.‹ Und was sagt mein Mann? Nichts. Er war ohnmächtig. Einfach ohnmächtig. Wie finden Sie das, wo ich doch mit ihm sprach?«
    »Willst du mit ins Dorf, Paps?« fragte Ilse Patz, als sie den abendlichen Wanderer überholte.
    »O nein! Nein!« Der alte Patz schwenkte einen Stock. »Wenn am Abend die Erde atmet, durchdringt mich das Gefühl eines jungen Hirsches. Juchhei!«
    Ilse blickte erschrocken. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen.

»Wie lange willst du den Unsinn noch treiben, Vater?«
    »Unsinn? Haha! Ich fange erst an! Lorentzen hobelt mir die Altersflecken weg, das Doppelkinn verschwindet, die Krähenfüßchen. Ich lasse mich auch liften, jawohl. Nicht bei euch, das ist was für Weiber. Lorentzen macht das gründlicher.« Er packte mit beiden Händen seine Haut an den Schläfen und zog sie nach hinten zu den Ohren. »So macht er das. Alles glatt. Na, wie sehe ich aus?«
    »Wie ein alter, dummer Chinese.«
    »Cornelia findet es himmlisch!«
    »Himmlisch!« Ilse Patz' Stimme wurde laut. »Sie spricht wie ein dummes Häschen! Himmlisch! Die Dame vergißt wohl, daß sie fünfundvierzig ist? Aber bei einem solch alten Knacker wie dir macht das Eindruck. Hiiiiiimmlisch …«
    Der alte Patz wurde ernst. »Das hast du zum letztenmal gesagt«, brummte er. »Alter Knacker. Warte sechs Wochen ab. Ich nehme es noch mit jedem Jüngling auf. Und, verdammt noch mal, fordere mich nicht heraus – oder willst du noch ein Brüderchen haben?«
    Heulend schrie der Motor auf. Der kleine Sportwagen schoß vorwärts und hüpfte die Straße hinunter nach St. Hubert. Der alte Patz riß seinen Hut vom Kopf und warf ihn in die Luft.
    »Juchhei!« brüllte er. »Du hast mir genug Nerven gekostet, du schwarzer Satan!«
    Er wäre weniger fröhlich gewesen, wenn er gewußt hätte, daß Ilse durch St. Hubert hindurchraste wie der wilde Jäger, auf die Chaussee nach München einbog und weiterfuhr.
    Gegen 23 Uhr erreichte sie München und klingelte ihren Anwalt, Dr. Hallerbach, aus dem Bett. Er war gerade vom Juristenstammtisch zurückgekommen und hatte eine gewisse Bettschwere.
    »Sie, Ilse?« sagte er verblüfft, als er dem späten Gast im Schlafanzug und Bademantel öffnete. »Brennt's schon wieder in der Klinik?«
    »Sie müssen etwas unternehmen, Doktor«, sagte Ilse erschöpft. Ihr Gesicht war staubüberzogen von der verrückten Fahrt. »Ich glaube, Paps hat den Verstand verloren. Er entwickelt sich zum dummen Jungen zurück. Wir müssen irgend etwas tun …«
    »Erst mal einen Kognak.« Dr. Hallerbach holte eine Flasche aus dem Bücherschrank. »Es wird schon nicht so schlimm sein …«
    »Nicht schlimm? Sie kennen Paps genau.« Ilse rang die Hände. »Er hat mir gesagt, daß er mir noch ein kleines Brüderchen verschaffen will.«
    »O Himmel! Hatte der einen hinter der Binde!« Dr. Hallerbach lachte laut. Der alte Patz, dachte er. Na ja, hübsche Weiber sah er immer gern. Aber bisher nur platonisch. Über das aktive Alter ist er hinaus.
    »Nichts hatte er getrunken. Nichts.« Ilse Patz ließ sich auf die Couch fallen. Zum erstenmal sah Dr. Hallerbach das bisher kalte, überlegene Mädchen verzweifelt und hilflos. »Er überblickt nicht mehr, was er sagt und tut. Wir müssen eingreifen, Doktor.«
    »Und wie, Fräulein Ilse?«
    »Notfalls …« Sie schluckte an dem Wort, aber es mußte heraus. »Notfalls müssen wir ihn entmündigen lassen …«
    Dr. Hallerbach stellte die Kognakflasche mit einem Knall auf den Tisch. Jetzt war es auch ihm plötzlich bitter ernst.
    »Wissen Sie, was Sie da einleiten wollen, Ilse?« fragte er.
    »Ja.« Ilse nickte mehrmals, wie aufgezogen. »Ich weiß es. Aber soll denn alles in die Brüche gehen, Doktor …?«
    Auf der Schönheitsfarm war großer Entlassungstag. Frau Haut,

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