Treibhaus der Träume
Dreimal war Rappel an der Hauptabschlußtür, immer war sie verschlossen. Er sah sich das Schloß genau an und fand, daß es mit einem Dietrich zu öffnen sei. Das wollte er in der Nacht tun, wenn alles schlief. Die beste Zeit ist 3 Uhr morgens, da schläft sogar der sonst Schlaflose.
Mit einer Taschenlampe beleuchtete Rappel die Tür, als er gegen 3 Uhr wirklich im Keller stand und drei Dietriche probierte. Das Schloß war doch komplizierter, als es von außen aussah. Es war kein Sicherheitsschloß, aber es hatte dämliche Windungen, die ein Dietrich nicht bewegen konnte.
Um 3 Uhr morgens kehrte aber auch Dicki heim von seinem Ausflug zur Schönheitsfarm. In dieser Nacht war eine Panik ausgebrochen. Jemand hatte die Tür mit einem Schloß verriegelt. Die Männer vom Motel ›Forellenklause‹ zogen wieder heim, nur Dicki erschien vor dem Fenster der verblüfften Frau Hennes. Den Kanal, durch den er in die Schönheitsfarm sickerte, verriet er nicht. Auch als Frau Pfannenmacher, die späte Wonnen erlebte, fünfhundert Mark bot, blieb Dicki standhaft. Heldentum ist nicht käuflich, und heute war er ein Held. Ihm gehörte die Farm. Juchhei!
Den Rückweg in die Klinik hatte Dicki ebenfalls verändert, mit Rücksicht auf Rosa Ballek, die noch immer auf der Lauer lag. Durch den Eingang in den Ölkeller, der halbhoch vermauert war, kletterte er in den Tankraum, von dort durch eine Eisenklappe in den Heizraum und von dort in den langen Flur. Dann hieß es, schnell wie ein Wiesel sein und das Zimmer erreichen. Gestern war es knapp gelungen … Rosa Ballek kam hinter einer Säule der Eingangshalle hervorgestürmt wie ein Elefant. Um Zentimeter war Dicki schneller und warf die Tür zu.
»Feigling!« keuchte Rosa durch die Tür. »Memme! Schlappschwanz!«
Zitternd legte sich Dicki ins Bett.
Heute nun ging alles glatt. Er erreichte den Flur, als er an der Haupttür ein Schaben und Kratzen hörte. Dann knackte es, die Eisentür schwang auf, und ein Mann, eine Taschenlampe in der Hand, kam in den Keller.
Dickis Haare sträubten sich. Seine Muskeln zitterten.
Der Brandstifter! Er legt einen neuen Brand!
Dicki hielt den Atem an und drückte sich in eine Türnische. Na warte, mein Junge, dachte er. Jetzt hab' ich dich! Jetzt werde ich Feuer aus deinen Augen schlagen!
Der Mann mit der Taschenlampe kam näher, leuchtete die Türen ab, blieb stehen und öffnete die Tür von Keller II.
Labor, stand an der Tür.
Dicki kam aus seiner Nische und schlich näher. Labor II, dachte er. Dort stehen Säuren und Phospormittel. Das gibt einen Brand, der sich sehen lassen kann. Aber nicht, solange Dicki hier ist.
Mit einem Satz war er im Keller II, sprang den Mann, der gerade die Tische ableuchtete, von hinten an, schlug ihm die Lampe aus der Hand und stürzte mit ihm zu Boden.
»Du Mistkerl, dreckiger!« schrie Dicki. Dann hieb er zu, auf den sich windenden Körper, der unter ihm lag.
Horst Rappel war von diesem Angriff zunächst verwirrt und sekundenlang nicht fähig, sich zu wehren. Dann aber hatte er den Schock der Überraschung abgeschüttelt und zeigte Dicki, was eine Ausbildung im Judo wert ist.
Nur bis zum dritten Schlag kam Dicki – was dann geschah, konnte er nur noch aus einer dunklen Erinnerung wiedergeben, als er es später erzählen mußte.
Der Unbekannte, der unter ihm lag und sich wand, war plötzlich über Dicki, hob ihn auf und schleuderte ihn gegen die Kellerwand. Krachend sank Dicki dort zusammen, rappelte sich aber wieder auf und versuchte, den Lichtschalter zu erreichen, um wenigstens das Gesicht des Brandstifters zu sehen. Aber zwischen Dicki und dem Lichtschalter stand geduckt der Schatten des Fremden.
Mit einem Anlauf rannte Dicki los. Einem Stier gleich prallte er mit dem Attentäter zusammen, aber dann hatte er gleich darauf das Gefühl, schwerelos zu sein, er flog wieder durch die Luft und rollte über den Kellerboden.
Das ist Judo, sagte sich Dicki und keuchte. Der Kerl kann Judo. Alle Rippen schmerzten ihm, der Kopf brummte, sein linkes Auge schwoll zu. Aber noch einmal versuchte er es, der Schatten wich zur Seite, Dicki griff ins Leere, machte eine Luftrolle und krachte auf das Gesäß. Es war ein Aufprall, der bis unter die Hirnschale zuckte.
»Du Saukerl!« stöhnte Dicki. »Du Miststück! Aber auch dein Judo hilft dir nichts.« Und dann tat Dicki etwas, was er wirklich nur aus größter Not und aus Liebe zur Klinik tat, was sein Herz fast zerriß vor Scham, aber es gab keine andere Möglichkeit
Weitere Kostenlose Bücher