Treibhaus der Träume
Kleidausschnitt und lehnte sich dann zurück. Marianne spielte unruhig mit dem Weinglas.
»Sie sind wirklich sittenstreng, Ilse«, sagte er.
»Im Betrieb, ja.« Ilse erhob sich abrupt. Ihr heißer Blick flog von Marianne zu Lorentzen. »Die äußere und – die innere Ruhe sind Faktoren unserer Kur. Man sollte das nicht vergessen.«
»Ich glaube, sie mag mich nicht«, sagte Lorentzen, als Ilse Patz auf ihr Zimmer gegangen war.
»Das scheint nur so. Sie hält große Stücke auf dich.« Marianne legte ihre Hand über die von Lorentzen. »Sie ist in letzter Zeit nur nervös.«
Es war das erstemal seit damals in der Nacht, daß sie wieder allein waren. Wie lange, das wußten sie nicht; jeden Augenblick konnte Ilse zurückkommen.
»Wann gehen wir wieder tanzen?« fragte Lorentzen.
»Vorläufig nicht.« Marianne wich seinem fragenden Blick aus. »Das Haus ist voll. Ich bin abends müde und kaputt.«
»Wann sehen wir uns einmal wieder alleine?«
»Ich weiß nicht, Lutz.«
»Wir könnten am Abend oben im Wald Spazierengehen.«
»Ja.«
»Morgen?«
»Ich weiß nicht, ob es morgen geht.«
Lorentzen stand auf. Er hielt Mariannes Hand fest und zog sie zu sich. »Was ist los mit dir? Ist hier irgend etwas geschehen? Du benimmst dich, als ob du Angst vor jemandem hast. Hat sich irgend etwas zwischen uns geändert?«
»Nein, Lutz, nein!« Marianne riß sich los. Ihre schönen blauen Augen waren voller Qual. »Ich bin müde. Gute Nacht, Lutz. Und keine bösen Gedanken … es ist alles in Ordnung.«
Nachdenklich blieb Dr. Lorentzen allein in dem kleinen privaten Wohnraum hinter dem Büro zurück.
Er fand sich nicht mehr zurecht. Er fühlte, daß Marianne ihn liebte, und er wußte, daß er sie liebte. Und doch war zwischen ihnen eine Kluft.
Warum? dachte er.
Mache ich etwas falsch? Gibt es einen anderen? Ist Marianne in einen Zwiespalt gestürzt worden? Oder ist es Ilse Patz, vor deren Temperament sie Angst hat?
In Gedanken versunken ging er zurück zu seiner Klinik und stieg den Hügel hinauf.
Er sah nicht, daß Adam Czschisczinski zehn Meter neben ihm ebenfalls durch den Park schlich und sich bemühte, im Schatten der Büsche zu bleiben.
Auf der anderen Zaunseite wehte auf leisen Sohlen ein helles Kleid durch die Dunkelheit davon. Gisela Nitze auf später Heimkehr.
Seufzend duckte sich Dicki hinter einen Strauch, als Dr. Lorentzen noch einen Bogen schlug und nahe an ihm vorbei über den Gartenweg ging. Dann sah er hinauf zu den Balkonen und erschrak. Die Baronin stand am Geländer und starrte auf ihn hinunter. Wie eine Rachegöttin stand sie da, in einem langen, weißen Hemd.
Adam Czschisczinski zog den Kopf tiefer in die Schultern. Er hatte Angst vor dem nächsten Tag und vor der Klingel in seinem Zimmer, wenn die Zimmerzahl 10 aufleuchtete.
Gegen Mittag des nächsten Tages zerriß das Klingeln des Telefons die Stille in Lorentzens Zimmer. Er wollte sich gerade zum Essen umziehen.
»Ich stelle durch«, sagte die Sekretärin kurz, ohne den Anrufer anzumelden. Es knackte zweimal, und dann war eine gehetzte Stimme im Apparat. Eine Stimme, aus der Lorentzen erkannte, daß sich ein Mensch in höchster Not befand.
»Kommen Sie, Doktor!« sagte die Stimme, von der er nicht hätte erklären können, ob sie einer Frau oder einem Mann gehörte. »Kommen Sie sofort. Es ist wichtig.«
»Mit wem spreche ich?« fragte Lorentzen laut.
»Kommen Sie sofort nach Salzburg. Villa Eleonore. Bitte fragen Sie nicht.«
Lorentzen sah erstaunt das Telefon an und hob den Hörer dann wieder ans Ohr. »Erlauben Sie mal … ich bin Arzt und kein Taxichauffeur. Und selbst der kann fragen: Wohin? Was ist also geschehen? Eine Fahrt nach Salzburg ist schließlich kein Sprung um die Ecke! Im allgemeinen kommen die Patienten zu mir.«
»Das ist völlig unmöglich! Glauben Sie mir, daß es dringend ist.« Die Stimme ertrank fast im schnellen Atem. »Wann können Sie hier sein?«
»Wenn ich nicht weiß, warum ich …«
»Sie werden fürstlich bezahlt! Fürstlich! Ich biete Ihnen fünfzigtausend Mark!«
Lorentzen sah an die Decke. Ein Verrückter. Aber dann lauschte er wieder auf die Stimme, und ihm kamen Zweifel.
»Ich könnte am späten Abend in Salzburg sein«, sagte er. »Wenn ich sofort abfahre.«
»Bitte, fahren Sie, Bitte! Ich erwarte Sie an der Autobahnausfahrt Salzburg. Ein dunkelgrauer Bentley. Bitte –«
Dr. Lorentzen legte auf. Unschlüssig starrte er wieder auf das Telefon, dann ging er hin und her und wußte nicht, was
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