Treibhaus der Träume
kurz die abstehende Ohrmuschel. »Wir werden eine Ohrenplastik machen müssen. Ich könnte Ihnen das nun genau erklären, mit dem fehlenden Anthelix anfangen …«
»Um Himmels willen, nein! Operieren Sie! Wie lange dauert es?«
»Die Operation ist kein Problem, aber vierzehn Tage müssen wir rechnen, bis der durch den Eingriff entstehende Bluterguß weggeht und die Ohren völlig anliegen.«
»Länger nicht?« Dr. Braubach sprang auf. »Operieren Sie mich sofort! Wo ist ein Telefon? Ich werde sofort alle Termine verlegen lassen! Doktor, Sie befreien mich von einem Komplex, der mir in Paris gestern mittag bald das Leben gekostet hätte. Ich war nahe daran, mir eine Kugel durch den Kopf zu jagen.«
»In einer Stunde kann alles erledigt sein. Ich operiere nach einer abgewandelten Methode, deren Grundzüge von dem Amerikaner Luckett stammen.« Dr. Lorentzen gab Dr. Braubach die Hand. Dieser schüttelte sie enthusiastisch. Er war nahe daran, den Arzt zu umarmen.
»Ich danke Ihnen.« Seine Stimme schwankte verdächtig. »Ich fühle mich wie neugeboren. Können Sie sich ausmalen, was ich auf der Fahrt von Paris bis hierher durchlitten habe?«
»Ich kann es mir denken.« Dr. Lorentzen begleitete Dr. Braubach zur Tür. Durch Druck auf einen Knopf am Schreibtisch hatte er eine Schwester der Station I herbeigerufen. Sie wartete schon vor der Tür und nahm Dr. Braubach in Empfang. »Das ist Schwester Laura, Dr. Braubach. Sie wird sich um Sie kümmern. Und operieren werden wir am Dienstag. Um 9 Uhr.«
Beschwingten Schrittes, den weißen Panamahut in der Hand, ging Dr. Braubach neben Schwester Laura hinüber zu seinem Zimmer.
Seit dem Tanzabend in St. Hubert und dem Wutausbruch von Ilse Patz hatte sich zwischen Marianne Steegert und Dr. Lorentzen nichts mehr ereignet. Auch der Kuß am Gartenzaun blieb einmalig; es war, als ob Marianne bewußt jede Situation vermied, mit Lorentzen allein zu sein – oder es war, weil Ilse Patz darauf achtete, daß sie immer in der Nähe war, wenn Lorentzen in den wenigen freien Stunden, die ihm Klinik und Patienten ließen, auf der Schönheitsfarm erschien? Meist saßen sie zusammen, tranken Fruchtsäfte oder leichten Wein, sahen sich ein Fernsehprogramm an oder sprachen die Ereignisse des Tages durch. Marianne erzählte von ihren schönheitsdurstigen Frauen, Lorentzen berichtete von Operationen, Ilse Patz gab in ihrer knappen, ironischen Art bissige Kommentare dazu.
»Ich hatte es schon aufgegeben«, sagte Marianne, als Lorentzen von der gelungenen Hautradierung bei Ursula Fohrbeck erzählte. »Wir waren alle mit ihr verzweifelt. Nichts schlug an, die stärksten Schälpackungen nicht. Ich habe Frau Ursula gestern gesehen; sie ist ein ganz anderer Mensch geworden.«
»Sie sollten für Gisela Nitze etwas tun, Lutz.« Ilse ließ die schönen langen braunen Beine über die Sessellehne baumeln. Der Rock war hochgeschoben bis zu den kräftigen glatten Oberschenkeln. »Sie wissen doch: Ihr Mann stellt das Raumspray ›Maienduft‹ her. Zum Presseball in Bonn will sie zehn Jahre jünger sein. Aber das ist nicht zu schaffen mit Cremes und Gymnastik und Gesichtspackungen. Zehn Pfund leichter, das wird sie … aber woran sie immer wieder Anstoß nimmt, sind die Krähenfüßchen. Sie können das doch wegmachen?«
»Eine Kleinigkeit.« Dr. Lorentzen wich dem herausfordernden Blick Ilses nicht aus. Er wußte, warum sie mit den Beinen schlenkerte. Sie wollte seinen Blick auf ihre Schenkel lenken, aber er tat ihr den Gefallen nicht.
»Gut. Ich werde Frau Nitze überreden, sich bei Ihnen operieren zu lassen. Aber nur unter einer Bedingung.«
»Bitte?«
»Sie reden ihr ins Gewissen! Acht Tage ist sie jetzt hier, und schon am zweiten Tag geht sie in St. Hubert bummeln, am dritten kommt sie angetrunken zurück, am vierten hat sie bereits einen Liebhaber. Den Kellner vom ›Ochsenwirt‹. Sagen Sie ihr, die Krähenfüße kämen nur vom fröhlichen Leben.«
Ilse Patz setzte sich manierlich auf den Sessel und strich den Rock herunter. Dafür beugte sie sich vor, und Lorentzen konnte weit auf sanfte Hügel sehen. »Sie durchlöchert mir die ganze Moral der anderen Frauen. Abends, oder mittags bei der Ruhestunde, erzählt sie von ihren Erlebnissen. Und die anderen hören ihr zu, als seien ihre Worte Rauschgift. Ich warte nur darauf, daß in den nächsten Tagen andere Frauen mitgehen.«
»Und was dann?«
»Dann werfe ich Frau Nitze hinaus.«
Lorentzen lächelte maliziös. Er betrachtete Ilses
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