Treibhaus der Träume
Kopf an seine Schulter gelehnt hatte wie ein verliebtes Tanzstundenmädchen, die Taxe aus St. Hubert halten. Ein junger, schlanker Mann stieg aus und bezahlte den Fahrer.
»Anhalten, Süßer!« rief Joan und stieß Alfredo an. »Ein Neuer! Halt an!« Alfredo bremste scharf und machte ein hochmütiges Gesicht. Ihn beschäftigten große Probleme. Daß er Joan abgeholt hatte, war eine Taktik. Der Waldspaziergang war unvermeidbar; wer Joan näher kannte, betrachtete das als Naturereignis wie Ebbe und Flut oder Mondfinsternis. Was aber noch kommen sollte, war Alfredo im einzelnen selbst noch nicht klar. In der Abwesenheit Joans hatte er eine neue Bekanntschaft gemacht. Eine Engländerin. Groß, schlank und reich. Und zehn Jahre jünger als Joan. Sie hatte eine Wohnung gemietet, und hier schlief nun Alfredo, bedacht mit etwas unterkühlter Liebe, aber sie war erholsam und tat ihm gut. Immer auf einem Vulkan leben, das ist auf die Dauer zu strapaziös. Das alles mußte man Joan erklären … für Alfredo kamen schwere Tage.
»Sie wollen zur Klinik?« rief Joan.
Der junge Mann drehte sich um.
»Natürlich wollen Sie zur Klinik. Ich sehe es! Ihre Nase! Haben Sie Vertrauen! Es gibt keinen besseren Arzt als Dr. Lorentzen. Sehen Sie hier!« Joan reckte sich im Polster. »Solche Brüste kann er machen!«
»Baby«, sagte Alfredo konsterniert. »Das interessiert den Signore doch nicht.«
»Er soll wissen, daß er hier richtig ist!« Joan winkte dem jungen Mann zu und stieß Alfredo in die Seite. Er fuhr wieder an. »Er wird Ihnen eine wunderschöne Nase machen!« rief Joan und drehte sich um. »Er ist ein Genie! Es gibt keinen zweiten Doc wie ihn!«
Dr. Thorlacht aus Hamburg, der nach dem Willen Professor Heberachs nun Thomas Weber hieß, sah dem schweren Sportwagen mit der winkenden, weißblonden Dame nach. Ein beklemmendes Gefühl stieg in ihm hoch. Es verstärkte sich, als er noch mehr Wagen den Hang hinunterkommen sah, besetzt mit fröhlichen Menschen. Dickis Waldhornsolo schallte über das Tal. Oben auf der Freitreppe standen lachende, mit Taschentüchern winkende Menschen.
Sie sind alle glücklich, dachte er. Und ich komme, um das alles zu vernichten. Ich schleiche mich ein wie ein tödlicher Bazillus. Ich wehe heran wie die Pest.
Dr. Thorlacht schluckte, nahm seine Koffer und ging durch das weit offene Tor. Ich bin ein Schwein, dachte er. Aber ein armes Schwein …
Die Baronin v. Durrhaus lag auf dem Operationstisch.
Nun war es soweit: Ihre Reithosenhüften, diese merkwürdig geformten Fettansammlungen, die aussahen wie schlaffe Breecheshosen, sollten fallen. Es war eine an sich einfache Operation, aber große, bogenförmige Narben von den Hüften bis zu den Kniekehlen blieben zurück. Lorentzen hatte es der Baronin deutlich erklärt.
»Wenn wir die durch das Fett völlig verschwundene Gesäßfalte wieder herstellen wollen, müssen wir nicht nur seitlich an den Oberschenkeln, sondern auch an den Streck- und Beugeseiten der Beine Fett entnehmen. Ich lege die Schnitte so weit rückwärts, daß sie von vorn nicht gesehen werden können – aber von hinten sieht man sie. Es lassen sich keine Narben wegzaubern. Die nächsten zwei Jahre sollten Sie keinen Bikini tragen, Baronin.«
Luisa v. Durrhaus hatte genickt. »Sie werden es schön machen, Doktor. Sie sind ein Künstler.«
Schlanke Hüften und Beine werde ich haben, dachte sie, als die OP-Schwester ihr ein Kreislaufmittel injizierte, damit sie die Vollnarkose besser überstand. Die Narben von hinten … wen kümmern sie. Meine schöne Seite ist die Vorderseite. Nur wenn ich im Kleid oder in engen Hosen gehe, soll auch die hintere Linie vollkommen sein.
Sie beobachtete, wie Lorentzen und der Assistent sich wuschen, und sie sah sogar ›Dicki‹ im Vorraum, wie er durch die Scheibe starrte. Er war allein, die Schwester war hinausgegangen, und er nutzte die Gelegenheit, die nackte Baronin auf dem OP-Tisch zu genießen und ihr zuzublinkern.
Luisa v. Durrhaus gefiel das gar nicht. In der Nacht, oder auch am Tag hinter der Gardine, war Nacktheit anders, wenn sie sich willig darbot. Jetzt aber, schon festgeschnallt auf dem OP-Tisch, ein Klumpen weißen Fleisches, wie zur Schlachtung hingelegt, kam sie sich durch Dickis Blicke entehrt und besudelt vor. Ihr ästhetischer Sinn war beleidigt. Sie hob den Kopf und blitzte Dicki an. Ihre Lippen bewegten sich.
»Hinaus!« zischte sie, was Dicki nicht hören konnte, aber er erkannte ihre Wut und ihren Abscheu. »Hinaus, du
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