Treibjagd - Unzensiert im Doppelpack (German Edition)
Mann gewesen wäre. Die Wege des Herrn sind unergründlich … In meinen „geregelten“ Alltag platzte eines Tages eine Hiobsbotschaft, die mich psychischnoch einmal in die Knie zwang. Rechtsanwalt Ahrend übersandte mir jederzeit seine Ausarbeitungen in meinem Fall. Ich las sie mir jeden Abend durch, denn sie gaben mir Kraft, zumal sie logisch einleuchtend meine Unschuld bewiesen. Eines Mittags, nachdem ich vom Sport zurück in meine Zelle geführt wurde, fand ich dort einen Brief vor: die Antwort auf die erneute Haftbeschwerde des LG Dortmund. Sie wurde wieder abgelehnt. Das knickte mich jedoch nicht, es war vielmehr die Begründung der Ablehnung. Der Vorsitzende Richter, der das Urteil über mich fällen würde, hatte sich mit den Schriftsätzen meines Anwaltes anscheinend überhaupt nicht auseinandergesetzt. Die Begründung kam nämlich einer Vorverurteilung gleich: Obwohl es zwar durchaus Widersprüche bei dem Zuhälter und der Zeugin Pfahl gäbe, würde man mir keinen Altruismus, also Selbstlosigkeit, zutrauen und mich ebenfalls schlichtweg als Mitglied des ,Zugriffsteams‘ sehen, das bekanntlich den Zuhälter zusammengeschlagen, gefesselt und ausgeraubt hätte. Kurzum, der Gegenseite wird geglaubt, mir aber nicht. Das war ein Hammer für mich. Von nun an lag ich in der Zelle und „hoffte“ auf „nur“ noch acht Jahre. Was für ein Ausblick. Erst der zeitnahe Besuch meines Anwalts brachte mich wieder in die Spur. Ich konnte noch so niedergeschlagen und verzweifelt sein, sobald ich die Anwalts-Besuchszelle verließ, hatte ich meinen Mut zurück und ein Lächeln auf den Lippen. Diesmal schaffte er es, weil er mir eine gute Nachricht überbrachte. Zwar ließ die Begründung der Ablehnung der Haftbeschwerde nichts Gutes ahnen, doch der schwere Tatbestand des erpresserischen Menschenraubes sollte nicht mehr angeklagt werden. Und plötzlich stand „nur noch“ ein Raub im Raume. Das Strafmaß war bezogen auf das Hauptdelikt plötzlich von fünf Jahren aufwärts auf drei Jahre gesunken. In meiner Niedergeschlagenheit war mir dieser Fakt beim Durchlesen der Ablehnung schlichtweg entgangen. Und Herr Ahrend war sich zudem sicher, dass er auch den Raub „wegbekommen“ würde, ebenso wie die gesamte angeklagte Schwerstkriminalität. Nachdem ich dann noch die Berge von Ausarbeitungen und Vorbereitungen meines Anwalts in Richtung der „Gegenseite“ eröffnet bekam, war ich mir wieder siegessicher. Herr Ahrend hatte sich mittlerweile auch meines Bruders Salem angenommen. Ich nahm mir die Freiheit, denKontakt zu vermitteln. Während einer seiner Besuche wurde Salem hinzugezogen, und auch er verließ die Besucherzelle anschließend ergriffen und angetan von diesem wundervollen Mann und einzigartigen Juristen. Und so gab die Erfahrung, das Wissen und die Einschätzung seines Falls durch Herrn Ahrend Salem Kraft für seine Situation, die gemessen an meiner noch unglaublich größere Lasten bedeutete. Salem, der nur wegen seines ungeborenen, herzkranken Kindes nach Deutschland zurückgekehrt war, durchlebte und ertrug ein ganz anderes Schicksal als ich. Ihm drohte bei einer Verurteilung eine lebenslange Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Neben der ständigen Angst und Sorge um das Leben seines kleinen Sohnes, meines Patenkindes, kam noch das Wissen um den schweren Stand seiner Frau hinzu, die der deutschen Sprache nur bedingt mächtig war und mit zwei weiteren Kleinkindern in einem ihr fremden Land alleine zurechtkommen muss. All dies müssen Qualen und Schmerzen sein, die nicht mehr zu überbieten sind. Eines Abends kam Salem zum Umschluss in meine Zelle. Wieder einmal war der Kleine operiert worden, und wieder gab es Grund zur Sorge um das Leben seines Sohnes. An diesem Tag fragten wir offiziell über die Zellensprechanlage an, ob wir nicht eine zusätzliche Matratze in meine Zelle schaffen könnten, um diese schweren Stunden der Angst gemeinsam zu bestehen. Es wurde jedoch abgelehnt, weil der Vorgesetzte des Diensthabenden es nicht verantworten wollte, „einen „Doppelmörder“ und einen „erpresserischen Menschenräuber“ über Nacht alleine in einer Zelle zu belassen. Wir waren wirklich nur Nummern und dem System ausgeliefert, ganz egal ob unschuldig oder nicht. Aber wir haben alles durchgestanden, und niemand hat uns jemals gebrochen. Inzwischen geht es dem Kleinen wieder gut, und Herr Ahrend wartet auf Salems Akte, um ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
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