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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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sagt Schelzig. Die will dich auch noch mal besuchen, aber ich dachte, ich sag dir das jetzt schon mal.»
    «Danke», sagte Danowski und dachte: nicht viel zuzusetzen hab ich auch. Dann war sein Akku leer und die Verbindung riss.

35 . Kapitel
    Finzi stand in seinem Keller und quälte seine Augen im abnehmenden Licht, als er die ersten Anzeichen spürte. Sein Herz, von dem es plötzlich zu viel gab, und die Luft, von der es zu wenig gab. Er hielt sich am Regal fest und versuchte, tief und ruhig zu atmen, aber sein Körper schien unerreichbar für das, was Finzi von ihm wollte. Das Holzregal von Ikea, das Britta und er in ihrer ersten gemeinsamen Wohnung im Schlafzimmer gehabt hatten – ihre Bücher, seine Videokassetten und Computerspiele –, war viel zu instabil, um viel von ihm zu halten. Um es zu entlasten und nicht zu stürzen, ging er in die Knie. Dass seine Oberschenkel gegen den Brustkorb drückten, fühlte sich besser an, und er merkte wie von außen, dass er anfing, sich zu beruhigen.
    Er hatte manchmal beobachtet, dass seine Panikattacken ein bisschen wie eine übersinnliche Begabung waren: Sie begannen, ein oder zwei Sekunden bevor das Telefon klingelte, und Brittas Anwalt war dran. Einen Moment bevor der Vermieter an der Tür klopfte, um ihn an irgendwelchen Papierkram zu erinnern. Später dachte er meist, dass dieser Eindruck wahrscheinlich eine Illusion war: viel eher vergaß er wohl, dass er das Klingeln bereits gehört hatte, sobald die Panikattacke begann, weil sie stärker war und den Anfang von allem anderen auslöschte.
    Jetzt aber schien es ihm wieder, als hörte er oben die Kellertür und dann die Schritte auf der Treppe erst, nachdem er angefangen hatte, heftig zu atmen. Unangenehm, einem seiner wenigen Nachbarn in diesem Zustand gegenüberzutreten. Sicherheitshalber lehnte er sich ein wenig vor und verschloss die Tür seines Kellerverschlags von innen mit dem notdürftigen Riegel, den er als Klapperschutz angebracht hatte.
    Durch die breiten Zwischenräume der Holzleisten am Verschlag sah er, wie das automatische Licht auf der Kellertreppe wieder ausging. Jetzt war es fast dunkel, weil ihm bisher das Licht durch das schräg auf den Gehweg führende Kellerfenster gereicht hatte.
    Vielleicht am besten, mit niemandem zu sprechen, dachte Finzi und rutschte langsam in eine Ecke hinter seinem Regal, die man vom Kellergang aus nicht unmittelbar einsehen konnte. Einfach hier unten hocken, warten, bis der andere seinen Koffer oder sein Werkzeug geholt hatte, und so lange ruhig den Kindheitsgeruch des Kellerfußbodens atmen.
    Die Schritte, die er schließlich auf dem Gang in seine Richtung kommen hörte, kannte er nicht. Der Hausmeister lief immer schwer und laut. Aus Neugier und um sich die Zeit zu vertreiben, schob Finzi den Kopf ein wenig am Regal vorbei, um auf den Gang schauen zu können.
    Eine kleine, dunkle Gestalt, selbst im Umriss kaum zu erkennen, eigentlich nur in die Dunkelheit gezeichnet durch das trübe rote Licht vom Schalter der Kellerbeleuchtung. Sie bewegte sich langsam auf seinen Verschlag zu, und etwas an ihren Bewegungen kam ihm bekannt vor. Als sie das kaum wahrnehmbare Restlicht aus einem Kellerfenster weiter vorne im Gang passierte, sah er, dass sie in der einen Hand einen Eimer trug und in der anderen Zeug, das er nicht erkennen konnte. Daran, wie sie ging, sah er, dass der Eimer schwer war, und er hörte das vertraute und verhängnisvolle Klappern noch nicht ausgetrunkener Flaschen.
    Finzi atmete flach und rutschte auf dem Hintern tiefer in seinen Verschlag. Erst kam ihm die Gestalt nur vage bekannt vor, dann wusste er, woher. Sie sah aus wie die Frau, von der er geglaubt hatte, sie verfolgte ihn im silbernen Polo.
    Eine Erkenntnis ging ihm durch den Körper wie eine leichte Übelkeit: Die Frau hatte ihn wirklich verfolgt, und jetzt war sie hier, um ihm etwas anzutun. Er hätte nicht genau beschreiben können, was er erwartete. Aber es war anders als damals im Kleiderschrank, als er hilflos mit dem Gürtel unter der Stange gesessen hatte mit dem festen Plan, sich umzubringen. Fest, aber eben hilflos, genau; der Engel des Todes war nie im Raum gewesen, und vielleicht hatte ihm damals genau das die Kraft geraubt und die Zuversicht, seinen Plan in die Tat umsetzen zu können. Jetzt war das Gefühl ganz anders: Er spürte, dass er in Gefahr war, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben. Er hatte sich manchmal gefragt und diese Frage genauso oft wieder verdrängt, wie sich die

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