Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
Vom Netzwerk:
hier war natürlich viel besser. Viel bessere Tarnung, viel universeller einsetzbar. Aber auch genauso unbezwingbar? Erst mal musst du diesen Verschlag aufkriegen, Baby. Und dann dachte er noch: Wenn Adam jetzt hier wäre, dann würde ich ihn fragen, eins oder zwei, fickbar oder nicht?, nur, um ihn zu ärgern.
     
    Nachdem sie den großen Polizisten durch einen Spalt der Verschlagtür mit einer Elektroschockpistole kampfunfähig gemacht hatte, stand die Senyora vor einem Problem. Der Polizist lag bewusstlos auf dem Boden und versperrte mit seinem Körper den Zugang zum Kellerverschlag. Sie wusste, dass sie nur etwa eine Minute Zeit hatte, um ihm das Rohypnol zu spritzen. Sie wollte die Verschlagtür nicht zerstören, weil sie auf keinen Fall Spuren hinterlassen durfte. Alles musste so aussehen, als wäre der Polizist hier unten zu jeder Zeit allein gewesen. Wenn sie jetzt nicht handelte, würde er die Kontrolle über sein Bewusstsein und seine Motorik wiedererlangen und sich in den letzten Winkel des Kellers zurückziehen. Oder sie angreifen, sodass es am Ende Spuren eines Kampfes geben würde. Beides entsprach nicht dem Plan der Senyora. Andererseits: Wenn sie ihm jetzt das Betäubungsmittel spritzte, würde sein Körper weiterhin die Tür blockieren.
    Mit schnellen, gezielten Bewegungen verstaute sie den Taser in ihrem Leinenbeutel und nahm die Spritze heraus. Sie zog eine Ampulle auf, beugte sich vor und stellte fest, dass sie seinen Unterschenkel durch den Spalt mit der Spritze erreichen konnte. Sie merkte, wie er versuchte, sein Bein wegzuziehen, als sie ihm das Rohypnol spritzte, aber nicht, weil er sein Bein tatsächlich hätte bewegen können, sondern nur daran, dass etwas in der Atmosphäre des Kellers sich änderte: daran, dass ein weiteres Element von Hilflosigkeit und Verzweiflung zu allem anderen kam. Nachdem sie die Spritze in den Körper des Polizisten entleert hatte, sicherte sie sie vorschriftsmäßig und verstaute sie zusammen mit der Ampulle ebenfalls in ihrem Beutel. Dann nahm sie ein Küchenhandtuch heraus, breitete es auf dem erdigen Kellerboden aus, setzte sich darauf und lehnte sich mit einem unwillkürlichen, fast behaglichen Seufzen an die gegenüberliegende Kellerwand.
    Immer besser, erst das große Problem zu lösen (wie verhindern, dass der Polizist sich wehren und ihr das Leben schwermachen konnte?) und sich dann dem kleineren zuzuwenden (wie konnte sie in den Verschlag kommen, obwohl er den Eingang blockierte?). Sie hatte beobachtet, dass die meisten Menschen aus Angst oder Bequemlichkeit immer die umgekehrte Reihenfolge wählten und sich mit den kleinen Problemen verzettelten, weil sie zu feige oder zu ahnungslos waren, sich den großen zu stellen. Vielleicht ein weiterer Grund, warum sie diese anspruchsvolle Arbeit machte und nicht die anderen Menschen.
    Das Zusammenspiel zwischen Taser und Rohypnolspritze war perfekt: die gute Minute, die der Elektroschock wirkte, ging fließend in die beginnende Wirkung des Betäubungsmittels im Blutkreislauf nach etwa ein bis zwei Minuten über. Entsprechend rührte der Polizist sich kaum, er grunzte nur ein wenig und warf sich kurz hin und her, wie ein Schläfer, der seine perfekte Position noch nicht gefunden hat. Bis sie nur noch sein tiefes, gleichmäßiges Atmen hörte, schmierte sie den ersten halben Meter des Silikonschlauchs gleichmäßig und dünn mit Vaseline ein.
    Die Senyora stand auf und probierte noch einmal die Verschlagtür. Der Riegel ließ sich mit der Teleskopzange und ein wenig Mühe zurückschieben, aber die Tür bewegte sich nur wenige Zentimeter: Der Fuß des Polizisten hatte sich zwischen ihr und der Wand zum Nachbarverschlag verkeilt. Die Senyora ging einige Schritte den Gang zurück, dorthin, wo sie einen grauen Blechschrank gesehen hatte. Ihre Vermutung war richtig, im Schrank fand sie die Putzutensilien des Hausmeisters, darunter einen Besen und einen Schrubber. Der Besen war aus einem einzigen Stück Plastik, aber vom Schrubber konnte sie den Stiel abschrauben. Er war etwa einen Meter zwanzig lang und aus festem altem Holz. Sie ging zurück zum Verschlag und schob den Schrubberstiel zwischen den Holzleisten hindurch. Wo würde ein Hämatom am wenigsten auffallen?
    Entre les natges
, dachte sie. Zwischen den Backen. Schade, denn es war ihr nicht angenehm, jene zu demütigen, denen bevorstand, von ihrer Hand zu sterben. Aber es half nichts. Sie dirigierte den Schrubberstiel zu Finzis Gesäß, bis sein Ende fest aufsaß,

Weitere Kostenlose Bücher