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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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dann stützte sie sich an der gegenüberliegenden Wand ab und schob ihn mit all ihrer nicht unerheblichen Kraft beiseite. Nachdem sie die Verschlagtür geprüft hatte und feststellte, dass sie sich jetzt einen halben Meter öffnen ließ, brachte sie den Stiel zurück, setzte den Schrubber wieder zusammen und schloss mit ihren dünn behandschuhten Fingern die Blechtüren.
Neteja mentre cuina
: Während des Kochens aufräumen, hatte ihre Mutter immer gesagt.
    Dann nahm sie ihren Eimer, die Flaschen und die kleine Elektropumpe, den Silikonschlauch und einen Klapphocker, schob sich in den Verschlag und nahm neben Finzis Kopf Platz. Sie prüfte seine Lebenszeichen und war zufrieden: alles andere als tot, aber völlig sediert. Dann füllte sie vier Flaschen Rum in den Eimer. Der leicht ölige und auf billige Weise luxuriöse Geruch des Getränks war ihr unangenehm. Aber sie musste ihn ja nicht trinken. Sie nahm das Küchenhandtuch, auf dem sie gesessen hatte, und faltete es so, dass sie Finzis Kopf damit stützen konnte. Wieder erledigte sie das Beschwerlichste zuerst: Sie brauchte beide Hände und viel Kraft aus den Unterarmen, um dem Polizisten das eine Ende des Silikonschlauches durch die Speiseröhre bis in den Magen zu schieben. Dann schloss sie die kleine batteriebetriebene Pumpe an, steckte ein zweites Schlauchteil in ihr anderes Ende und ließ dieses Schlauchteil in den Eimer mit weißem Rum hängen. Sie schaltete die Pumpe ein und ärgerte sich über das laute Geräusch. Nicht, weil jemand es hätte hören können; es klang in ihren Ohren zu hell und pietätlos, wie ein Vibrator.
    Mit Finzis Körper geschah wenig Sichtbares, während sie die etwa zweieinhalb Liter Rum in seinen Magen pumpte. Er bewegte sich nicht, und einmal hielt sie die Pumpe kurz an, um sich davon zu überzeugen, dass er gut atmete. Sie sah lediglich, dass seine Bauchdecke sich ein wenig hob, um der nicht unbeträchtlichen Menge Flüssigkeit Raum zu geben.
Salud
, dachte sie unwillkürlich und ärgerte sich dann sofort darüber: keine Scherze auf Kosten derer, die sie betreute, das war eine eiserne Regel. Auch nicht in Gedanken.
    Vermutlich würde er sich bald entleeren, aber die Menge war groß genug, um ihn dennoch zu vergiften. Und was den Effekt anging, hatte sie gegen eine eingenässte Hose oder eine Schürze Erbrochenes vorn auf dem Körper nichts einzuwenden.
    Nachdem sie fertig war, verstaute sie ihre Gerätschaften und drückte jede der Rumflaschen Finzi sorgfältig, aber kurz in die Hände. Dann stellte sie die leeren Flaschen nicht besonders geordnet auf den Boden.
    Im Hinausgehen sah sie ein einziges Detail, das sie störte: eine Thermoskanne im Regal. Sie blieb stehen, nahm die Kanne, schraubte sie auf und roch daran: grüner Tee. Nein, dachte sie, das passt nicht. Sie nahm die Kanne, verstaute sie in ihrem Eimer und verabschiedete sich mit einem zufriedenen, aber nicht selbstgefälligen Gesichtsausdruck vom Körper des großen Polizisten.
    Dann verließ sie den Keller, um oben auf dem Gehweg nach dem Telefon zu sehen, das er so ungeschickt aus dem Kellerfenster geworfen hatte. Vermutlich hatte er versucht, noch eine Nachricht abzuschicken. Dumm war er nicht gewesen, dachte sie mit einer gewissen Genugtuung, denn es war unbefriedigend, dumme Menschen zu töten.
    Das Telefon lag am Rande des Gehwegs, fast im Mulchbett eines Straßenbaums. Durch den Aufprall war das Display zersprungen, aber das Telefon ließ sich noch bedienen. Die Senyora öffnete die Nachrichten und sah, dass der große Polizist an einen «Adam privat» tatsächlich noch eine Nachricht geschickt hatte, die im Vorschaufenster offenbar vollständig wiedergegeben war: «wolka jordanova». Und die Nachricht war übertragen worden, nichts mehr zu machen. Sie nahm ihr eigenes Telefon und fotografierte das Display. Dann überquerte sie den Gehweg zum leicht geöffneten Kellerfenster, unterhalb dessen der große Polizist lag. Sie bückte sich, überzeugte sich noch einmal, dass ihre Handschuhe unbeschädigt waren, und ließ das Telefon dann zurück in den Keller fallen, damit niemand, wenn man den großen Polizisten fand, darüber rätselte, wo es geblieben sein könnte. Sie meinte, aus dem Kellerfenster relativ preiswerten weißen Rum zu riechen, aber das war möglicherweise ein olfaktorisches Nachbild ihrer Arbeit.
    Jedenfalls war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, zu entscheiden, ob es an ihr war herauszufinden, wer oder was «wolka jordanova» war und inwiefern die

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