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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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nicht so, und dann haben wir Sie nicht zum Schweigen gebracht, sondern jemand anders, und zum Reden bringen wir Sie auch nicht. Es ist mir zu schwierig mit Ihnen.» Der Rotäugige hatte sich in Fahrt geredet. «Wir wissen nicht, was wir mit dem machen sollen, der in Ihrem Bett lag und der jetzt tot ist. Und mit seinen Freunden. Das ist aufwendig. Sie werden uns dafür entschädigen. Sagen Sie mir, was Sie wissen. Es ist das letzte Mal, dass wir Sie fragen.»
    Danowski schüttelte den Kopf. Er wusste es einfach nicht. Er wusste nicht, warum Wilken Peters nach Carsten Lorschs Whisky roch und warum Kathrin Lorsch ausgerechnet dann nicht mit hatte an Bord gehen können, als es ihrem mörderischen Mann in den Kram passte, dass sie zu Hause blieb.
    «Ein Mann hat versucht, seine Frau umzubringen. Und sich dabei aus Versehen selbst vergiftet», sagte er. Seine Stimme war immer noch weit entfernt von ihm.
    Der Rotäugige winkte ab. Er stand auf, ging zu einem hellgrauen Blechspind und nahm einen Stapel Papier heraus, ausgefetzt und zerknickt, als wäre das Papier mit Gewalt aus einem Ordner gerissen worden. Weil man den Ordner da lassen wollte, wo er war. Gefüllt mit alten Zeitungen. Er hielt Danowski den Pfuder so dicht vor die Nase wie eben das Bild seiner Tochter.
    «Was wissen Sie hierüber?»
    Danowski schüttelte den Kopf. Nicht mal die Perücke haben sie mir abgenommen, dachte er. Das Plastikgefühl auf seinem Skalp erfüllte ihn mit Nostalgie. Er dachte daran, wie er erwartet hatte, diese Unterlagen in der Aktentasche von Carsten Lorsch zu finden, weil sie ihm Aufschluss geben sollten darüber, was der Tote erlebt und geplant hatte. Das dauerte dem Rotäugigen zu lange. Er schlug Danowski den Papierstapel rechts und links um die Ohren, kurz und trocken.
    «Warum verbrennen Sie so was nicht gleich?», fragte Danowski, damit das Hauen aufhörte.
    «Immer besser, was in der Hand zu haben», sagte sein Peiniger und kam tatsächlich aus dem Rhythmus. Die Papiere lösten sich auf und flogen unhaltbar und dumm durch die Kabine, sodass der Rotäugige nur noch Reste in der Hand behielt, und darauf sah Danowski wieder eine Kinderzeichnung. Ach, Martha, dachte er zuerst. Stella, ach. Bis er, in dem Moment, als der Rotäugige die verbleibenden Geschäftsunterlagen von Carsten Lorsch ungeduldig auf den Resopaltisch warf, die Fremdheit der Kinderzeichnung erkannte: Es war das Logo der Stiftung Gesundes Kind, wie auf dem Transporter, der bei Kathrin Lorsch das Bild abgeholt hatte, Titelbild einer Broschüre oder eines Geschäftsberichts.
    Dann wies der Rotäugige mit dem Kinn zur Tür. Einer der anderen Quetscher verließ die Kabine. Der Rotäugige stand auf. Danowski bekam wieder Luft, aber er ahnte, dass das bestenfalls eine Art Abschiedsgeschenk war.
    «Wir müssen jetzt arbeiten. Den falschen Mann unterbringen. Versorgen. Vielleicht verbrennen. Wir werden uns noch sehen, und wir werden viel Zeit haben, darüber zu sprechen, was Sie wissen und was nicht. Aber es wird Ihnen egal sein, denn Sie werden dabei sterben. Ich sage trotzdem einmal: Bis gleich.» Er verließ mit zwei anderen die Kabine, und Danowski verrenkte sich den Hals, während er mit zweien zurückblieb, von denen einer seine Beine hielt und der andere sich auf seinen Oberkörper setzte.
    Immerhin, müde war er nicht mehr. Was einem so auffiel. Dem Geschmack in seinem Mund nach, war er Stunden bewusstlos gewesen. Dann kam der kleine Quetscher wieder, er trug einen Mundschutz und Gummihandschuhe, und Danowski wand sich und wurde festgehalten und sah, dass der kleine Quetscher in einer seiner gelben Hände eine Spritze hielt, die mit Blut gefüllt war, und ihre Nadel war nur durch eine hellgrüne Kunststoffkappe geschützt.
    «Ein Gruß von nebenan», sagte der kleine Quetscher unbetont, als hätte der Rotäugige es ihm aufgetragen. «Von Frau Bender. Stillhalten jetzt bitte. Ihr Freund in Ihrem Bett hat sich leider gewehrt, als wir ihn damit spritzen wollten.»
    Danowski bäumte sich auf, aber es war ein Phantomaufbäumen, denn sein Körper bewegte sich kaum. Der an seinen Füßen war kräftig, der auf seinem Oberkörper schwer. Schwer und offenbar vorsichtig.
    «Let me get out of the way here», sagte der Fußquetscher, «ich mach mal Platz und halte ihn von hier.» Niemand wollte näher als unbedingt nötig am Virus sein. Sobald er sich von ihm runtergerollt hatte, tat Danowski das Gegenteil von dem, wonach jede Zelle seines Körpers schrie. Er bewegte sich nicht.

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