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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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Sie haben ja wirklich das mickrigste Boot hier im ganzen Yachthafen.»
    «Ja, man kann über Carsten sagen, was man will, aber ein Angeber war er nicht.»
    «Und keine Konfektionsgröße  46 », sagte Danowski und wedelte mit den Jackenärmeln. Dunkelblaue Windjacke, beigefarbener Baumwollstrickpulli mit Zopfmuster, Jeans mit Bundfalten. Alles zu groß und alles von einem Toten. Kenne ich ja schon, dachte Danowski. Zwei Tage in Totenkleidern, aber immerhin mit Abwechslung. Er saß auf der dünn gepolsterten Bank in der kleinen Kajüte von Kathrin Lorschs Segelyacht und ließ die Wärme zurück in seinen Körper strömen.
    «Ich war mir nicht sicher, ob Sie kommen würden», sagte er. «Oder besser gesagt: Ich hätte nicht damit gerechnet.»
    «Ich bin selbst überrascht», sagte Kathrin Lorsch und reichte ihm schwarzen Tee in einer Schiffstasse, die für festen Stand nach unten breiter wurde. Der Tee war heiß und süß, und er fand ihn köstlich. Sie schien schmal geworden in der Woche, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Vielleicht die Müdigkeit, irgendwie war es schon wieder mitten in der Nacht. Sie hatte das Haar straff zurückgebürstet und zu einem Pferdeschwanz gebunden, was sie jünger und älter zugleich aussehen ließ. Ein dunkler Rollkragenpullover, sodass ihr Kopf im Halbdunkel zu schweben schien.
    «Aber ich wollte doch wissen, wie es ausgeht. Ich muss doch verstehen, was Carsten getan hat.» Sie lachte sparsam. «Ein ewiger Kampf, den anderen zu verstehen. Und dann hört das nicht mal nach dem Tod auf.»
    Danowski sagte nichts und fühlte dem Schmerz oberhalb seiner Schläfe nach.
    «Wollen Sie noch mal versuchen, Ihre Familie anzurufen?», fragte sie und hielt ihm ihr iPhone in einer Schlangenlederschutzhülle hin. Bisher hatte er nur Leslies Voicemail erreicht, aber er wusste, dass sie ihr Telefon ausschaltete, wenn sie schlafen ging. Es schmerzte ihn ein wenig, dass sie diese Gewohnheit wiederaufgenommen hatte, obwohl er weg war von ihr und den Kindern und es jederzeit etwas Neues geben konnte. Und das Festnetztelefon hörte sie nicht, wenn sie mit Ohrstöpseln schlief. Er schüttelte den Kopf. Er stellte sich die dunkle Wohnung vor und wie alle schliefen, die Geräusche und die Luft, wenn er von der Spätschicht kam, als ihm plötzlich etwas in die Glieder fuhr.
    «Haben Sie von den Impfschäden gehört? Von den Toten?», fragte er.
    «Ja», sagte Kathrin Lorsch und setzte sich ihm gegenüber an den ovalen Tisch. Durch die kaum tellergroßen Bullaugen sah er hinter ihrem Kopf den U-Bahnhof Baumwall und dahinter ein Verlagsgebäude. Fünf, höchstens sechs Kilometer von Leslie und den Kindern. «Das kam in den Nachrichten. Drei Tote.»
    «Haben Sie irgendwas darüber gehört, wer das war? Gibt es da Gerüchte oder so?» Sein Mund war kalt und trocken, sobald kein Tee durchlief.
    «In der
Morgenpost
stand, dass das Leute aus der S-Bahn waren, in der diese Rechtsmedizinerin gefahren ist. Kristina Ehlers. Hat jedenfalls der Mann erzählt, der meinen Garten macht», sagte sie. «Im
Abendblatt
stand, das seien Leute aus dem Umfeld der Behörden gewesen, aber vielleicht ist das lanciert worden, um zu vertuschen, wie viele normale Leute schon geimpft worden sind.»
    «Sie unterscheiden zwischen Behördenmitarbeitern und ihren Familienmitgliedern und normalen Leuten?» Der Impuls, aufzustehen und sich auf den Weg zu machen nach Bahrenfeld zu seiner Familie, war schier übermächtig. Aber da würden ihn die Kollegen erwarten, und dann war er weg vom Fenster. Womöglich brachten sie ihn zurück an Bord.
    «Was ist der Plan?», fragte Kathrin Lorsch.
    Er atmete gegen die Sorge und sagte: «Nicht wieder auf das Boot zu müssen. Ein paar Fragen an Sie. Die Hoffnung, dass ich dadurch etwas erfahre, womit ich mich schützen kann.»
    «Fragen Sie.»
    «Was hatte Ihr Mann mit der Stiftung Gesundes Kind zu tun?»
    «Nichts. Also, das waren Leute, die er vom Golfplatz kannte. Aber eigentlich war das mein Kontakt. Ich hab den Geschäftsführer mal kennengelernt, auf einem Fest im Club. Kann sein, dass Carsten uns bekannt gemacht hat. Aber das war dann auch alles.»
    «Wie heißt der Geschäftsführer?»
    «Bartels. Vornamen weiß ich nicht aus dem Stegreif. Irgendwas Normales.»
    «Nie gehört. Und der hat Ihnen den Auftrag für das Bild gegeben, dieses Kinderporträt?»
    «Nein, nein, das kam direkt über Steenkamp.»
    Danowski runzelte die Stirn. «Kam direkt über Steenkamp? Wie meinen Sie das? Cay

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