Treibland
diese Informationsbombe im Nachhinein durch weitere Informationen noch abschwächen – «… das Marburg-Virus aus den sechziger oder siebziger Jahren.»
«Ebola?», fragte Finzi. «Ist das ein Witz?»
Danowski schüttelte den Kopf. Ich stand daneben, dachte er. Als die Ehlers die Bettdecke hochgehoben hat. Mit einer lächerlichen Atemmaske wie aus dem Baumarkt. Wie beim Parkettabschleifen.
«Die Frau vom Tropeninstitut sagt, dass sie uns Fotos aus der Kabine des Toten schickt. Sie hat da eben Blutspritzer auf dem Teppich vorm Bett gefunden, die jemand zu entfernen versucht hat. Und Glassplitter. Sie ist sich nicht sicher, was das zu bedeuten hat.» Aber er wusste es. Und die anderen wussten es auch.
«Verdacht auf Fremdeinwirkung», sagte Finzi neutral, aber fast mit Ehrfurcht. Finzi nickte. Wäre es, dachte er, theoretisch denkbar, Molkenbur und Kalutza an Bord der «Großen Freiheit» zu schicken, damit die beiden da ermittelten? Im Prinzip ja. Aber praktisch durchführbar?
Die Chefin kam in ihr Büro, mit leise quietschenden Gummisohlen, die Lesebrille an einer neonfarbenen Gummischnur um den Hals. «Haben Sie gehört?», fragte sie. «Die Gesundheitsbehörde hat mich eben informiert.»
Danowski nickte.
«Schade, dass Sie hier keinen Fernseher haben», sagte die Chefin. «Oder vielleicht auch besser so. Und die Task Force trifft sich nun doch schon heute im Krisenzentrum im Rathaus Altona. Anschließend fahren Sie zur Witwe und aufs Schiff, die Reihenfolge überlasse ich Ihnen. Einen Bericht brauche ich trotzdem bis heute Abend.»
Als die Chefin ging, klingelte Danowskis Telefon. Er fragte sich, ob er zwischendurch genug Zeit haben würde, zu duschen und sich umzuziehen.
«Störe ich dich?», fragte Leslie.
«Irgendwie schon», gab Danowski zu und sah, wie auf dem Computerbildschirm von Molkenbur Fotos von Kathrin Lorsch auftauchten, die er offenbar gerade googelte.
«Ist alles in Ordnung? Kannst du kurz sprechen?»
«Nein und nein», sagte Danowski und träumte davon, sein Gesicht im Haar seiner Frau zu vergraben.
«Muss ich mir Sorgen machen?», fragte Leslie, noch Reste von Streit in der Stimme.
«Nein», sagte Danowski. Auf Anhieb hätte er nicht sagen können, ob er seine Frau in all den Jahren jemals so kaltblütig belogen hatte.
10 . Kapitel
Danowski stand am Bürofenster und atmete die Klimaanlagenluft, spürte die Sonne von schräg oben auf seinem Gesicht und dachte, was für ein schöner Tag es im Grunde war. Für einen Augenblick war dieser Gedanke alles, woran er sich erinnern konnte, alles andere verschwand auf einen Schlag, kurz, beeindruckend, wie ein Stromausfall, der wieder vorüber war, bevor man sich fragen konnte, wo die Kerzen waren. Als wäre sein Leben ein Punkt in der Unendlichkeit und keine Linie mit einem Anfang und definitiv einem Ende.
Und dann ging es weiter. Alles schien gleichzeitig zu passieren. Kristina Ehlers von der Rechtsmedizin rief ständig an, und schließlich sprach er länger mit ihr als vorhin mit seiner Frau, was aber einfach daran lag, dass Ehlers keine Fragen hatte, die er nicht beantworten konnte, sondern nur erzählte, wonach er nicht gefragt hatte. Ja, sie hatte Angst. Ja, sie war dumm gewesen. Unvorsichtig. Etwas in dieser massiven Anwesenheit von uniformierter Autorität hatte sie dazu veranlasst, sich wie eine Anfängerin aufzuführen, ihre eigenen Worte. Der Professor, der das rechtsmedizinische Institut leitete, hatte sie zu sich gerufen, kaum, dass sie in Eppendorf angekommen war, und er hatte eingangs so sehr geschrien, dass sie seine Worte nicht verstehen konnte, und ihr Kopf tat weh von gestern Nacht. Am Ende wusste sie, dass er sie vermutlich vom Dienst suspendieren würde, sobald die Beschwerde von Tülin Schelzig schriftlich eingegangen war. Molkenbur schob ihm ein paar Papiere hin, worüber Finzi sich aufregte und Molkenbur Internetausdrucker nannte. Während Ehlers sprach, las Danowski, dass Kathrin Lorsch eine legitime Künstlerin war, mit Wikipedia-Eintrag, drei Galerien, die sie vertraten, in Hamburg, London und Los Angeles, und dass sie sich seit einigen Jahren auf Gemälde konzentrierte, die sie oder die Kritiker «archäologische Porträts» nannten. Die Schwarz-Weiß-Ausdrucke waren zu schlecht, um zu verstehen, was damit gemeint war, aber er hatte eine Ahnung, seit er in ihr Atelier geschlichen war. Ehlers sagte, soweit sie wisse, sei keiner von ihnen in Gefahr. Sie vermied das E-Wort. Sie sagte nur: «Du weißt ja, was sie
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