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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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aufgefordert wurde, die Dienststelle zu wechseln. Oder alles drei innerhalb einer Schicht. Die Chefin hatte es gut: Sie ging einfach.
    «Was denn für eine Sache versaut?», fragte Danowski, weil Finzis angefangene Geschichte wie ein unaufgelöster Akkord in der Luft hing.
    Finzi gab ihm das Blatt und sagte nachdenklich: «Keine Ahnung, ich kann mich nicht erinnern. Das war in meiner dunkelsten Zeit. Bacardi feeling und so weiter.»
    Auf dem Flur standen Behling und Kienbaum und ein paar andere Kollegen. Als Danowski und Finzi an ihnen vorbeigingen, verstummten sie.
    «Vorgefragt», sagte Finzi abfällig. «Ich glaub, ich spinne.»
    «Ja, schlimm», sagte Kienbaum, «wenn mal jemand richtig arbeitet.»
    Danowski inszenierte ein Gähnen. Er merkte, dass es seinem Kopf besser ging.
    «Eure Omis warten schon», sagte Behling mit verschränkten Armen und Blick auf die geöffnete Bürotür von Danowskis Team, durch die man tatsächlich die grauen Häupter von Molkenbur und Kalutza sah. Einer von beiden hatte sich im vorigen Monat einen Schnauzbart wachsen lassen, jetzt hatten sie beide einen. Danowski nickte übertrieben zerstreut und ging weiter.
    «Das mit deinem neuen Schnauz ist echt scheiße, Kalutza», sagte Finzi und warf sich mit voller Wucht auf seinen Schreibtischstuhl. «Jetzt kann ich euch nicht mehr unterscheiden.»
    «Deine Frau hat angerufen», sagte Kalutza zu Danowski. «Und dann noch eine Frau. Schellfisch oder so. Vom Tropeninstitut.»
    Danowski setzte sich Finzi gegenüber und zog das Telefon näher an sich heran. Mit der anderen Hand angelte er die Karte von Tülin Schelzig aus seiner Hosentasche. Bevor er zu wählen anfing, hielt er inne.
    «Alles klar bei euch?»
    Molkenbur setzte sich auf seine Tischplatte und sagte: «Wann stecken wir denn mal die Köpfe zusammen und beschnacken, was da Sache ist? Auf euerm Schiff?»
    «Wir haben vielleicht noch ’n paar Kapazitäten», sagte Kalutza. «Wenn ihr nett fragt.»
    «Verdammt!», schrie Finzi und haute auf die Tischplatte, um Danowski beim Wählen zu stören. «Wir haben ein richtiges Team! Hast du das gehört! Wir können jederzeit loslegen, alle Systeme auf Go.» Dann schlug er sich theatralisch vor die Stirn. «Aaah, Mist, fast vergessen: Wir haben ja gar keinen Fall. Nur einen matschigen Typen, der gerade in einem wasserdichten Plastiksack an Land getragen worden ist. Ihr dagegen, ihr habt Vermisste. Dutzende. Das sind Fälle. Ihr seid im Geschäft. Ihr …»
    Danowski hob die Hand, denn Tülin Schelzig hatte nach dem ersten Klingeln abgenommen. Vermutlich hatte sie ihn daran erkannt, dass er seine Nummer unterdrückt hatte.
    «Danowski, Kripo», sagte er, und sie fing sofort an zu reden.
    «War ja nur ein Angebot», sagte Molkenbur zu Finzi und stand auf.
    «Genau», sagte Kalutza. «Kein Grund, sich hier so aufzuspielen.»
    Danowski wedelte dämpfend mit der Hand, denn was die Frau vom Tropeninstitut ihm in komprimierter Form mitteilte, interessierte ihn mehr als die sich in Endlosschleifen wiederholenden Zankereien der Kollegen.
    «Jetzt weiß ich auch, wie ich euch trotz Schnauzbart unterscheiden kann», rief Finzi in die andere Hälfte des Raumes, in die Molkenbur und Kalutza sich an ihre Schreibtische zurückgezogen hatten. «Molkenbur, du bist der, der immer gleich beleidigt ist, wenn man mal einen Scherz macht, und du, Kalutza, bist der … Scheiße, wieder nichts, du bist
auch
immer gleich beleidigt!»
    Danowski wunderte sich, dass er jedes Wort von Finzi hörte, aber trotzdem verstand, was Tülin Schelzig ihm mitteilte. Es war, als hätte die Welt sich in zwei Realitäten aufgeteilt, und nun war er aufgefordert, in die eine mit Nachrichten aus der anderen zurückzukehren.
    Er legte auf und sagte so leise «okay», dass Finzi verstummte und Molkenbur und Kalutza innehielten. «Nachrichten vom Tropeninstitut. Die haben noch nicht herausgefunden, was das für ein Krankheitserreger ist. Frau Schelzig sagt, dafür wird sie die ganze Nacht über dem Mikroskop hängen. Aber aufgrund des Bildes am Leichenfundort und des Zustands der Leiche geht sie von einer Art Filovirus aus.»
    «Das sind Viren, die unterm Mikroskop wie Fäden aussehen», sagte Kalutza, dessen unerschöpflicher Vorrat an nutzlosem Wissen sich hin und wieder als treffsicher erwies. Danowski nickte. Er drehte und wendete das Wort im Mund, das er nicht sagen wollte, darum war er fast dankbar, als Kalutza es aussprach: «Ebola ist ein Filovirus. Und …» – als könnte er

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