Treibland
im Fernsehen sagen.» Er sagte, sie hätten keins. Zumindest nicht hier im Büro. Und solange sie mit ihm auf dem Festnetz rede, könne er nicht in den Besprechungsraum, wo ihr einziges Gerät stand. «Ach», sagte sie, «sei froh. Wenn man denen glaubt, dann herrscht langsam Ausnahmezustand in der Stadt.» Danowski las, dass Kathrin Lorsch ihre erste Einzelausstellung Ende der achtziger Jahre gehabt hatte, mit Anfang zwanzig, in einer Galerie auf Sankt Georg. Damals hatte sie zu einer Gruppe von Künstlerinnen gehört, die sich «die jungen Hilden» nannten, eine Gegenbewegung zur «phallischen Angeberei der jungen Wilden», sie änderten alle ihren Vornamen in Hilde und machten sich über den Männlichkeitskult ihrer Kollegen lustig. Auf einem Bild aus jener Zeit sah er eine Holzfigur, die für seine Augen afrikanisch und primitiv aussah, ein Dämon oder ein Fetisch mit erigiertem Glied, in dessen gesamten Körper in fast gleichmäßigen Abständen Nägel und andere Metallteile geschlagen waren. Finzi sah ihm über die Schulter und machte Witze. Auf einem anderen Foto waren Besucher einer Vernissage der «jungen Hilden» von 1989 zu sehen. Ein Mann mit unpassender Tropfenbrille und etwas weniger Haaren als die anderen stand schräg hinter Kathrin Lorsch, und Danowski fragte sich, ob das Carsten Lorsch war. Er nickte Molkenbur zu und zeigte ihm den Daumen, während er die Papiere so auf seinem Schreibtisch verteilte, dass er sie alle sehen konnte, den Telefonhörer zwischen Schulter und Wangenknochen geklemmt, bis ihm der Nacken weh tat.
«Und wie machen die Tropenmediziner überhaupt eine anständige kriminelle Forensik, und wer begeht den Tatort, wenn es denn einer ist?», fragte Ehlers und rauchte hörbar ins Telefon.
«Erstens keine Ahnung, und zweitens gibt’s später Fotos», sagte Danowski. Er wartete darauf, dass sich auf seinem Bildschirm die offenbar aufwendig programmierte Seite von Carsten Lorschs Spirituosenversand aufbaute. Das Internet im Präsidium erinnerte ihn an die neunziger Jahre und erfüllte ihn mit Nostalgie für eine Zeit, in der Leslie und er sich noch gegen Hamburg hätten entscheiden können. Damals hatten die Browser genauso lange an Bildern und Animationen gewürgt. Dann begann auf der Website von Carsten Lorschs «FeinGeist.de» eine Diashow, bei der große Kupferkessel, windschiefe schottische Landhäuser, gammelige Flaschenetiketten und bernsteinfarbene Flüssigkeiten aller Schattierungen ineinandergeblendet wurden, unterlegt mit melancholischen keltischen Klängen. Whisky langweilte Danowski, und er wunderte sich, worin so alles sehr viel Geld versteckt war. Bevor er die Seite schloss, klickte er auf «Kontakt und Impressum», um zu sehen, ob Lorsch möglicherweise noch eine andere Firmenadresse hatte, irgendwas Repräsentatives in der Innenstadt. Ehlers sagte, sie müsse jetzt Schluss machen, es gebe Gerüchte über eine Task Force, da wolle sie sich mal weiter umhören. Danowski runzelte die Stirn und stellte fest, dass er die Task Force vergessen hatte. Na gut, dann bis später. Er legte auf. Kalutza rief vom anderen Ende des Raumes, die Reederei sei jederzeit bereit, Passagierlisten und Kabinenbelegungspläne an die Polizei zu geben.
«Na prima», sagte Danowski, abgelenkt, aber nicht undankbar über die Einmischung, weil das Telefon klingelte, sobald er den Hörer zurück auf den Apparat gelegt hatte.
«Und zwar an die panamanesische Polizei!», rief Kalutza mit düsterem Triumph.
«Panamaische», ächzte Finzi.
«Wann kommen die denn», sagte Danowski und meldete sich am Telefon. Kalutza sagte, da müsste sich mal jemand drum kümmern, aber das sei nicht ihre Ebene, eher was für die Chefin.
«Oh, wie schön ist Panama», sagte Finzi. «Und noch gibt’s in der Kantine Reste von Pannfisch. Jemand dabei?» Danowski verstand nicht, wer ihn anrief, weil er irgendwie mit Leslie gerechnet hatte, aber während ihm einfiel, dass sie längst miteinander telefoniert hatten, stellte sich ihm eine Polizeireporterin vom
Abendblatt
vor. Er sah, dass unter «Kontakt» auf Carsten Lorschs Website noch die Adresse eines Lagerhauses in Schleswig-Holstein stand, mit Sonderverkäufen und Verkostung. Unter «Impressum» stand Kathrin Lorsch mit der Adresse, die er kannte. Die Polizeireporterin sagte, man hätte ja bisher noch nicht das Vergnügen gehabt und so weiter, und ob er denn neu in der Dienststelle oder wo er denn und was es überhaupt mit diesem Virus. Ich mach eigentlich nur
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