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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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Witz.
    Leslie lächelte halb aufmunternd und halb amüsiert und lehnte sich mit ihrer schwarzen Kapuzenjacke an die beigefarbenen Badezimmerkacheln, als wäre dies ein schöner Ort, um sich zu unterhalten. Danowski hatte einen dieser seltenen Momente, wenn man jemanden, den man im Laufe vieler Jahre Tausende Male angeschaut hatte, zum ersten Mal zu sehen meinte. Er war mit Leslie zusammen, seit sie achtzehn waren, er kannte ihr Gesicht besser als sein eigenes. Manchmal war ihm, als sähe er sich selbst und fast sein ganzes Leben, wenn sie ihm gegenüberstand. Aber in diesem Augenblick war ihm ihre Vertrautheit entzückend fremd. Er sah die Falten um ihre Augen, dass ihre Lippen zu trocken waren und den feinen dunklen Flaum auf ihrer Oberlippe. Er streckte die Hand aus, um ihr Gesicht zu berühren, sie vielleicht an sich zu ziehen und den Laubgeruch ihres dunklen Haars einzuatmen. Leslie schlang die Arme um ihn, sodass er den Sweatshirtstoff ihrer Jacke an seinen nackten Schultern spürte, und küsste ihn auf den Mund. Sie schmeckte nach Kaffee und Kaugummi, im Grunde wie auf dem Pausenhof in der Kursoberstufe vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren. Er stürzte sich in ihren Kuss wie in eine verantwortungsvolle Aufgabe, die einem leicht von der Hand ging. Eine, in der man sich selbst vergessen konnte. Sie zog das Handtuch beiseite, ohne sich von seinem Mund zu lösen. Er spürte den Stoff ihrer Hose. Er umschlang sie und schob seine Hände unter ihr T-Shirt und in ihre Jeans, bis seine Welt zum großen Teil aus ihrem Hintern und ihrem Rücken zu bestehen schien.
     
    Im Flur zeigte Leslie mit dem Kinn auf den verschnürten Müllsack, in den er seinen Anzug und das Hemd von heute Vormittag geknüllt hatte.
    «Für die Reinigung?»
    «Ja. Oder verbrennen. Ich weiß es noch nicht.»
     
    Sie saßen an einem hufeisenförmigen Tisch in einem Besprechungsraum des Altonaer Rathauses, und Danowski stützte das Kinn auf die Hand, Leslie an seinen Fingern. Er war zu spät gewesen und hatte den größten Teil der Vorstellungsrunde verpasst. Sie waren ungefähr zwanzig, fast alles Männer, die aussahen, als wären sie daran gewöhnt und hätten ein gewisses reifes Vergnügen daran, jeden Tag in ähnlichen Besprechungszimmern und ähnlichen Runden zu sitzen. Wer jünger war oder Frau, saß in der zweiten Reihe an der Wand und machte Notizen oder steuerte Informationen bei. Außer Tülin Schelzig, die sich gar nicht erst gesetzt hatte.
    Wilken Peters, der Abteilungsleiter aus der Gesundheitsbehörde, war Ende fünfzig, hatte einen fast kahlen Schädel und ein zupackendes Lächeln, das auf Danowski sympathisch wirkte, weil es ihm konkreter schien als die Wischiwaschi-Gesichter der anderen, die sich offenbar noch nicht entschlossen hatten, ob sie irritiert, alarmiert oder zuversichtlich zu sein hatten. Er spürte, dass Peters es gewöhnt war, vielleicht nicht der Klügste, aber immer der Stärkste im Raum zu sein. Es war selten, dass man solche Leute in der Verwaltung traf, meist hatten sie andere Pläne. Danowski versuchte, möglichst unsichtbar zu gucken, um gar nicht erst angesprochen zu werden. Tülin Schelzig hatte sich schräg hinter Peters, am Kopfende des Hufeisens, an die Wand gelehnt und die Arme ihres hellbraunen Baumwollanzugs über der Brust verschränkt. Im Grunde sah sie noch immer so aus, als trüge sie Schutzkleidung. Während Peters und die Runde sich vom deutschen Vertreter der Reederei gereizt erklären ließen, warum die Ausschiffung der Passagiere unverzüglich beginnen und die vorläufige Quarantäne aufgehoben werden müsse, zuckten ihre Mundwinkel, und nicht nach oben.
    Danowski dachte an den Nagelfetisch und das Bild, das er in Kathrin Lorschs Atelier gesehen hatte. Er hatte keine Ahnung von Kunst und wenig Interesse daran, aber es schien ihm bemerkenswert und nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar, dass beide Werke von ein und derselben Künstlerin stammten. Na ja, dachte er. Wer ist nach zwanzig Jahren noch derselbe.
    Ein übellauniger Sitzriese von der Port Authority malte aus, was es die Stadt kosten würde, eine weiträumige Sperrung des Cruise Terminals über Tage oder gar Wochen aufrechtzuerhalten. Ein Polizeidirektor von der Bundespolizei See, der mit seinen vier goldenen Streifen auf den Epauletten selber wie ein Kapitän aussah, ließ freundlich jovial durchblicken, dass seine Leute sich auch lieber früher als später wieder ihrer eigentlichen Arbeit zuwenden würden. Aus allen Richtungen gurrten

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