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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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Hemd. Ein dunkler Anzug, zwei Sakkos, Hosen, Socken, Unterwäsche, mehr oder weniger sauber eingeräumt. Eine weinrote Tasche mit Golfutensilien, die ihm entgegenzustürzen drohte, sodass er die Schranktüren schloss. Keine Spur von einer anderen Person, keine Frauenkleidung, nichts in anderer Größe. Im Bad ein Kulturbeutel, an dem man ablesen konnte, dass sein Besitzer feste Wurzeln in den achtziger Jahren hatte: Aftershave von Tabac Original, Zahnbürste von Dr. Best. Tabletten gegen Bluthochdruck, Aspirin, drei Kondome. Danowski machte ein Foto davon. Möglicherweise ein interessantes Gesprächsthema für den nächsten Besuch bei Kathrin Lorsch.
    «Warum», fragte Danowski, «vergiftet man jemanden mit einem Ebolavirus?»
    «Im Moment hat das Virus noch keinen Namen», sagte Schelzig. «Es handelt sich um ein neues Filovirus. Vermutlich werden wir ihm in der Literatur einen Namen geben, der sich an Marburg und Ebola orientiert. Exotische Viren werden gern nach Orten benannt.»
    «Hamburg-Virus? Wirklich?»
    «Hamburg ist ein bisschen zu unspezifisch. Möglicherweise eher Altona-Virus.»
    «Na, das wird die Lokalpatrioten hier freuen», sagte Danowski. Er fing an, die Schubladen in der Kabine zu durchsuchen. Reiseunterlagen von Carsten Lorsch, die er abfotografierte, ein Ringbuch mit Informationen über das Leben an Bord, Faltblätter, die die Landausflüge und die Aktivitäten auf dem Schiff anpriesen. «Und woher bekommt man so ein Virus?»
    Schelzig antwortete nicht. Er drehte sich um und sah sie fragend an.
    «Ich dachte, Sie reden mit sich selbst», sagte sie.
    «Nee, jetzt sind Sie mal als Fachfrau gefordert.»
    Soweit er sehen konnte, hob sie in ihrem Raumanzug die Schultern.
    «Wie ich heute Morgen gesagt habe: Wir haben diesen Virenstrang noch nie gesehen. Es kann sein, dass er aus einem Labor stammt, aber denkbar ist auch, dass ihn jemand irgendwo in der freien Natur gefunden hat. Es gibt unzählige tropische Viren, die wir noch nicht kennen. Und wegen der Erderwärmung verbreiten sie sich immer weiter nach Norden.»
    «Ich bin wirklich kein Erderwärmungsskeptiker», sagte Danowski, während er den linken Nachttisch nach persönlichen Spuren absuchte und keine fand, «aber dass dieser ganze Vorgang hier eine Folge des Klimawandels ist, mittelbar also durch Ihren Haarspray-Verbrauch in den Achtzigern verursacht wurde, finde ich dann doch ein bisschen weit hergeholt.»
    «Ich habe in den achtziger Jahren keinerlei Haarstylingprodukte verwendet, weder FCKW -haltige noch andere», sagte Schelzig. «Ich bin 1980 geboren.» Danowski rollte mit den Augen. Eine leere Schublade nach der anderen. Und wann hatte eigentlich die Generation mit der 8 davor angefangen, ihm die Welt zu erklären?
    «Westnil-Virus», fuhr sie fort, «das ist eine der gefährlichsten afrikanischen Krankheiten, übertragen durch eine Mückenart, die man wegen der Erderwärmung inzwischen auch in Südfrankreich oder Italien findet.»
    «Aber diese Filoviren werden nicht von Mücken übertragen», sagte Danowski. Mühsam ließ er sich auf die Knie hinab. Der Anzug machte jede Bewegung schwer, die über ein leichtes Gestikulieren und Herumstehen hinausging, er war offenbar mehr was zum Abhängen als zum improvisierten Spurensichern.
    «Möglicherweise schon», widersprach Schelzig. «Andere Filoviren aber sind eher von Säugetieren übertragen worden, insbesondere von Primaten.»
    Danowski richtete sich wieder auf und wandte sich dem rechten Nachttisch zu.
    «Jemand findet einen infizierten Affen, nimmt ihm Blut ab, schifft sich dann hier ein und kommt nachts in die Kabine von Carsten Lorsch, um ihn damit zu infizieren.»
    «Nachts?»
    «Gut, keine Ahnung, irgendwie denke ich wegen der Spuren am Bett daran, dass er geschlafen hat. Aber: Wie ist der Täter dann in die Kabine gekommen? Im Moment ist mein Hauptverdächtiger ein Mitreisender, der sowohl über die passende Magnetkarte als auch über einen mit Ihrem Filovirus infizierten Affen verfügt. Wenn ich den hier an Bord finde, ist der Fall gelöst, bevor die Leute aus Panama kommen. Gute Gastfreundschaft, Willkommensgeschenk und so.»
    «Es scheint mir doch ein recht umständlicher Weg, um jemanden zu töten», sagte Schelzig. «Hier in der Kabine ist praktisch jeder Gegenstand genauso gut oder besser geeignet, jemanden umzubringen, als ein exotisches Virus.» Wie zum Beweis gestikulierte sie Richtung Spiegel und Fernseher.
    «Da sagen Sie was», sagte Danowski geistesabwesend, während

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