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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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links und rechts an die Wand geschoben; beide Betten waren gemacht, streng und faltenlos, und Danowski vermutete, dass die Bettwäsche frisch aufgezogen worden war, nachdem Lorsch auf die Krankenstation gekommen war. Wer hatte das Bett gemacht? Wer hatte die Kabine gereinigt? Die verschwundene Kabinenstewardess? Oder jemand anders? Jedenfalls Menschen, mit denen er würde reden müssen. Falls sie nicht morgen schon dabei waren, sich die Eingeweide aus dem Leib zu erbrechen.
    Er spürte, dass die Zeit knapp war, zugleich sah er noch immer die Möglichkeit, sie beliebig zu dehnen, bis die Ermittler aus Panama eintrafen.
    Rechts vom Eingang die schmale Tür zum Bad, gegenüber ein Schrank, daneben ein Ganzkörperspiegel. Eine Reflexion des Deckenlichts verwandelte das Sichtfenster seines Anzugs in eine flache, helle Fläche, hinter der Danowski sein eigenes Gesicht nicht sehen konnte. Zum ersten Mal in seinem Leben sah er sich nicht im Spiegel, und es kam ihm vor, als hätte er nicht nur seine Gestalt verändert, sondern sein ganzes Wesen, als wäre er unsichtbar geworden. Er wandte den Blick ab und der Außenwelt zu: an der Stirnseite des Raumes war eine geschlossene zweiflüglige Tür, die auf einen kleinen Balkon mit rundem Tisch und zwei Stühlen führte. War dies der Balkon, auf dem er gestern Morgen eine dunkelhäutige Frau in Uniform gesehen hatte, das Zimmermädchen oder jemand anders von der Crew?
    Er spürte an seinem Rücken, wie Tülin Schelzig sich an ihm vorbei in den Raum drängte. Als sie in seinem Gesichtsfeld auftauchte, zeigte sie mit ihrem breiten Stiefel auf einen Bereich zwischen dem linken Bett und einer Art Konsole, in die ein Fernseher, ein Schreibtisch und die Minibar eingelassen waren.
    «In diesem Bereich haben wir eine außerordentlich hohe virale Belastung festgestellt. Und hier habe ich auch die Splitter gefunden, die vermutlich von einer Ampulle stammen. Sie werden heute oder im Laufe der nächsten Tage freigegeben, dann können Sie sie selbst noch mal untersuchen.»
    «Klingt spannend.»
    «Oder was Sie sonst so mit Beweismitteln machen.»
    «Im Zweifelsfall würde ich jemanden wie Sie anrufen und Sie bitten, mir was über die Art von Ampulle zu erzählen, auf die die Splitter hindeuten.»
    «Und ich würde sagen, dass ich bisher keine Zeit hatte, mich darum auch noch zu kümmern.»
    «Das würde mich misstrauisch machen.» Er redete, um Geräusche zu machen, denn er stellte fest, dass er sich weniger eingesperrt in seinem Anzug fühlte, wenn er darin Stimmen hörte, selbst wenn eine davon seine eigene war. Jetzt aber merkte er, wie Schelzigs Körpersprache sich veränderte wegen etwas, das er gesagt hatte. Oder besser: ihre Anzugsprache. Sie schien sich von ihm wegzudrehen, als wollte sie seine Aufmerksamkeit von sich ablenken.
    «Wieso misstrauisch?», fragte sie, offenbar unfähig, den unverfänglichen Ton aufrechtzuerhalten, den sie gerade gefunden hatten. Danowski versuchte vergeblich, sie genauer zu betrachten und mehr von ihr zu empfangen als Sichtfeldreflexion und sanfte Statik hinter ihrer trockenen Stimme.
    «Keine Ahnung», sagte er. «Was können Sie denn über die Ampulle sagen?»
    «Kein Fabrikat, das ich kenne. Man erkennt zwar nicht den Herstellernamen, aber die Farbe der Markierungen. Eine Art Petrol, das ich an deutschen Kliniken noch nicht gesehen habe.»
    «Herrlich», fand Danowski, «ich hatte schon Angst, der Fall wäre nicht international genug.»
    «Jedenfalls war hier in diesem Bereich der
viral load
am größten, und wenn Sie mich fragen, dann hat jemand versucht, Blut wegzuwischen. Das kennen Sie vielleicht aus Ihrem Job: Wenn man versucht, Blut von Möbelstoffen oder Teppichen zu wischen, breitet man den Fleck immer mehr aus. Genauso war es hier auch. Hier, die Konturen können Sie noch erkennen.»
    Ich hätte mich nicht davon abbringen lassen dürfen, die Ausrüstung zur Spurensicherung mitzunehmen, dachte er. Mit Luminol hätte er das Blut hier im Schwarzlicht zum Leuchten bringen können. Schelzig hatte ein gutes Auge. Oder sie hatte gewusst, wo und wonach sie suchen musste, dachte Danowski.
    «Wieso Blut?», fragte er.
    «Das Virus braucht organische Materie, in der es sich reproduzieren kann, sonst stirbt es ab. Deshalb eignet sich Blut besonders gut zum Transport. Ich vermute, das Virus wurde in einer mit Blut gefüllten Ampulle transportiert.»
    «Okay», sagte Danowski. Er überlegte, ob er sich auf das gegenüberliegende Bett setzen könnte. Er hatte

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