Treibland
hätten jetzt dort nichts mehr zu tun. «Sind Sie fertig?», fragte sie.
«Im Prinzip ja. Ich würde mir gern den Balkon anschauen, aber …»
«Sie haben den Offizier gehört.»
«… ich fürchte, Sie werden mir davon abraten.»
«Schauen Sie durch die Glastür. Auf eine Scheibe mehr oder weniger kommt es ja wohl nicht an.»
Tatsächlich hatte Danowski kein Interesse daran, sich in seinem hellgelben Schutzanzug auf dem kleinen Balkon zu zeigen. Auf dem Fluss kreuzten langsam und geduldig Barkassen und Motoryachten mit Kameraleuten und Fotografen, immer in Sichtweite des Kreuzfahrtschiffes, begierig darauf, dass etwas passierte, und auf den Dächern der Büro- und Lagerhäuser am Rande des Cruise Centers lagen sie mit Zoomobjektiven und warteten: Polizist im Raumanzug an Bord des Pestschiffes, das Aufmacher-Foto, das gerade noch gefehlt hatte.
Er sah durch die Glastür, und da war nichts außer den Möbeln, keine benutzten Gläser, kein zum Trocknen aufgehängtes Kleidungsstück, kein Hinweis darauf, dass hier eine weitere Person gewesen war.
«Sauerstoffende in T minus 15 .»
«Ist ja gut mit der Wissenschaftsporno-Sprache», sagte Danowski. «Sie sehen hier nicht zufällig irgendwo eine Aktentasche, dunkelbraunes Glattleder, matt, silberne Beschläge, Ziehharmonikaboden?» Sie antwortete nicht. «Ich auch nicht.» Dann legte er das Foto vom weißen Haus auf der Felsinsel auf den Nachttisch und vergewisserte sich, dass er die Digitalkamera in der Hand hatte, denn spüren konnte er sie nicht.
«Gute Gesundheit», sagte er. «Wie außerordentlich unpassend.»
Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis sie die Schleuse in umgekehrter Richtung passiert hatten. Außerhalb der Schleuse war der abgesperrte Bereich groß, «auf Zuwachs», wie Schelzig nüchtern sagte. Aber innerhalb war alles beengt, und Schelzig bestand darauf, dass er bei der Desinfektion der Schutzanzüge half. Sie erinnerte ihn daran, die Unterwäsche, die er unter dem Anzug getragen hatte, in einen Spezialbehälter zu legen, zusammen mit ihrer. Sein vergilbtes weißes T-Shirt fiel auf ihr T-Shirt mit dem Löwenwappen, und er dachte, dass sie so etwas wie das genaue Gegenteil einer Affäre hatten: zwei Menschen, die sich an einen abgetrennten, verbotenen Ort zurückzogen und sich dafür so viel wie möglich anzogen, um nichts miteinander zu teilen, und anschließend, wenn alles vorbei war, standen sie nackt Rücken an Rücken und versicherten einander, wie wenig ihnen das alles bedeutet hatte.
«Wollen Sie eigentlich mal mit dem Schiffsarzt sprechen?», fragte Schelzig wenig einladend.
«Sollte ich wohl», meinte Danowski.
«Können Sie sich aber auch sparen. Er macht im Moment in unseren Isolationsräumen einen unfreiwilligen Morphiumentzug und ist wenig auskunftsfreudig.»
«Dann hätten wir das ja auch geklärt. Schön, dass Sie’s angesprochen haben.»
«Wenn Sie sich beeilen, komme ich noch vor zwölf ins Labor.»
«Meinetwegen können Sie gerne vorgehen.»
«Sie haben es nur mir zu verdanken, dass Sie überhaupt hier sein dürfen.»
«Im Prinzip war das eine reine Formalität. Meine Ermittlungen hier sind abgeschlossen.»
«Umso besser.»
«Den Rest sollen die Kollegen aus Panama machen.»
«Falls Sie doch noch mal an Bord wollen: Sie stehen auf der kurzen Liste der Berechtigten. Für den Aufenthalt in allen anderen Bereichen des Schiffes brauchen Sie diesen einfachen Schutzanzug, Handschuhe und einen Mundschutz.»
«Nicht, wenn’s sich vermeiden lässt.»
«Wirklich. Setzen Sie den Mundschutz auf.»
Hinter der Schleuse war ein abgesperrter Bereich von etwa fünfzig Metern Ganglänge. Danowski sah im Vorbeigehen, dass die Kabinen geräumt, aber nicht neu hergerichtet worden waren: die Schränke und Türen standen offen, das benutzte Bettzeug hing bis auf den Teppich. Er fragte sich, wo die Passagiere untergekommen waren, um die vierzehn Tage der Quarantäne abzuwarten. Je näher sie dem unabgesperrten Bereich kamen, desto lauter hörte er Stimmen und Musik. Er atmete tief ein, die Luft roch nach synthetischer Aprikose und Kühltruhe wie am vorigen Morgen.
«Wäre es nicht besser, die Klimaanlage abzustellen? Ist das nicht eine riesige Giftschleuder, mit der hier alle Leute infiziert werden?»
«In den meisten Kabinen lassen sich die Fenster nicht öffnen, von den Innenkabinen ohne Fenster ganz zu schweigen. Die Luft würde innerhalb von Minuten unerträglich werden. Außerdem können wir das Risiko eingehen. Die
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