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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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so dünn wie befürchtet. «Steigst du ihm bis aufs Klo hinterher, um ihm in den Arsch zu kriechen? Idealer Ort, zugegeben.»
    Das ignorierte Behling mühelos. «Er ist ein bisschen verwundert. Er liest ja eure Vermerke, und er findet, dass ihr dafür, dass eigentlich Ball flach halten die Devise ist, ganz schön Wind macht.» Allein, wie Behling das Wort «flach» aussprach, stürzte Danowski in einen Abgrund der Einsamkeit. Warum bleckten die Norddeutschen bei jedem «ach» die Zähne, zogen die Lippe nach oben und rümpften die Nase, bis der Sound hart an der Grenze zum «äch» aus ihnen herauszischte wie ein träges Gas, am meisten zum Verzweifeln beim ständigen «Tach»?
    «Wind», sagte Danowski.
    «Ermittlungsdruck war das Wort, glaube ich.»
    «Na und?»
    «Hast du eigentlich ferngesehen?»
    «Ja, gestern Abend. Sandmännchen.»
    «Die Sache mit den Splittern von der Ampulle ist noch nicht draußen. Pressestelle hat einen Maulkorb bekommen. Niemand will, dass die Leute den Eindruck haben, da draußen rennt ein Irrer mit Ebola-Ampullen rum. Pestschiff im Hafen ist politisch anstrengend genug.» Behling musste eine riesige Der-die-das-Sammlung irgendwo haben, so viele Artikel, wie er im täglichen Gebrauch verschluckte. Danowski seufzte.
    «Nee, Adam, jetzt man ohne Schiet. Wir sind Sachbearbeiter, und wir sind weisungsgebunden. Ich tu dem Inspektionsleiter und dir einen Gefallen, wenn ich dir jetzt auch noch mal sage: Ball flach halten.»
    «Okay», sagte Danowski, «um mal zu versuchen, ernsthaft darauf zu antworten: Die Anweisung hätte ich gern schriftlich. Und zweitens: Viel mehr Aufregung gibt es wahrscheinlich, wenn wir das Ganze zu einem großen Geheimnis werden lassen.»
    «Gedächtnis der Öffentlichkeit ist kurz, weißt du.» Weissu.
    «Die Leute fragen sich doch, warum ein Hamburger sich mit einer Art Ebola infiziert hat», sagte Danowski.
    Behling seufzte. «Weißt du, wie viele Afrikaner da an Bord sind?» Danowski zuckte die Achseln. «Dutzende, vielleicht hundert oder so», sagte Behling. «Die räumen ab, machen sauber, keine Ahnung, das sind Tellerwäscher, Stewards. Jede Kreuzfahrtbesatzung hat einen Haufen Afrikaner.»
    «Einen Haufen. Aha. Ist das dein Zählmaß für Afrikaner?»
    «Ach, Adam, altes Sensibelchen, hör doch jetzt mal auf mit dem Sozischeiß. Ist doch nicht rassistisch, wenn ich ‹Haufen› sage. Jede Menge Neger halt.»
    «Na und?»
    «Na und, dann hat eben einer von denen das Virus eingeschleppt und den Deutschen damit angesteckt. Das soll ganz vage gelassen werden. Kommt von ganz oben. Präsidialbüro.»
    Danowski hatte Mühe zu folgen. «Ihr wollt es so aussehen lassen, als hätte irgendein namenloser Afrikaner das Virus aus seiner Heimat an Bord eingeschleppt und Lorsch auf der Reise damit infiziert?»
    «Wir. Du und wir alle. Nicht ‹ihr›. Ja, das wird so gespielt.»
    «Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Das passt überhaupt nicht zusammen mit den Inkubationszeiten und der Reiseroute und so weiter. Wer weiß, wann sich da das letzte Mal ein Crewmitglied aus Afrika eingeschifft hat.»
    «Eben: Wer weiß. Und wenn die Quarantäne vorbei ist, werden die Toten gezählt, und die Lebenden kehren zurück in ihre Heimatländer, und wir können uns der nächsten Geschichte zuwenden. Gibt bestimmt bald wieder irgendein Ehec oder so was, was die Leute ablenkt. Vogelgrippe. Schweinegrippe. Such dir was aus. Aber: Mach nicht so ’nen Wind.» Bei jedem Wort im letzten Satz drückte er sachte den Finger auf Danowskis Brust.
    Danowski ahnte in Behlings leutseligem Gesichtsausdruck, wie gequält er selber gerade aussehen musste. Eigentlich müsste ihm das entgegenkommen: keinen Wind machen, den scheiß Ball «fläch» halten. Aber in dem Moment, wo Behling ihm das nahelegte, wollte es Danowski ganz und gar nicht mehr gefallen.
    «Müsste dir doch eigentlich entgegenkommen», sagte Behling telepathisch und wedelte mit den Unterlagen über Danowskis neurologische Absonderlichkeiten. Danowski machte nicht noch mal den Fehler, danach zu greifen.
    «Ich behalt das mal noch ein Weilchen», sagte Behling. «Einfach so als Gedächtnisstütze. Für den Fall, dass ich den Inspektionsleiter mal wieder am Pinkelbecken treffe. Und uns der Gesprächsstoff ausgeht.»
    «Krass. Erpressung», sagte Danowski in scherzhaftem Ton, um dem Vorgang vor sich selbst die Schärfe zu nehmen. Behling wiegte den Kopf. «Nee, eher ’ne Abmachung, würde ich mal sagen.» Abmächung.
    «Das ist keine

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