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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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selber weg, zum Schluss tröpfelte seltsam kindisch der Milchschaum hinterher. Milchschaum hatte Finzi schon immer angewidert, seitdem erst recht. Und er spürte heute noch, wie zart und rosa seine Kopfhaut war und ein Teil seiner Stirn, verbrüht. Behling hatte ihm also gewissermaßen das Leben gerettet, und er hatte auch danach noch das eine oder andere Mal seine Tür aufgebrochen, aber Kaffee trinken wollte Finzi seitdem nicht mehr mit ihm.
    Und Adam. Fies, ihn da im Brainstorming-Strahl der Omis sitzen zu lassen. Andererseits hatte Adam gestern das Gleiche mit ihm gemacht. Und es störte ihn, dass sie im Präsidium als die beiden angeschlagenen Tassen im Schrank galten: er mit seiner unterbrochenen Trunksucht und Adam mit seiner legendären Abneigung gegen Überstunden und stressige Einsätze. Es störte ihn, dass Adam ihm die meiste Zeit gar nicht zuhörte, ständig mit seinen Gedanken woanders war und sich ingesamt ziemlich stieselig aufführte. Auf gewisse Weise spürte er einen Beschützerinstinkt, wenn er sah, wie Adam auf die plumpen Flirts der Lorsch-Witwe reinfiel, von Behling verarscht wurde und neben ihm auf dem Beifahrersitz einschlief. Aber dann fiel ihm wieder ein, dass er bis vor einem Jahr und 257  Tagen nicht einmal in der Lage gewesen war, sich selbst zu beschützen, und dann fand er wieder, dass er und Adam einfach kein besonders gutes Team waren.
    Vielleicht ließ sich daran jetzt was ändern. Finzi lief den letzten halben Kilometer vom S-Bahnhof unter dem heute Nachmittag beigefarbenen Himmel, bis er seine Seitenstraße zwischen einem Fliesenmarkt und dem Kundendienst eines japanischen Elektronikkonzerns erreichte. Im Gegensatz zu Adam, der sich mit nichts aus dem Job belasten wollte, hob Finzi Dinge auf und nahm sie mit nach Hause. Wenn ihn Sachen beschäftigten, hatte er schon immer Kopien von Schriftstücken gemacht oder sich Zeugenaussagen, Fotos und Unterlagen auf USB -Sticks gezogen. Das hatte nie zu etwas geführt, außer einmal zu einem Anschiss von der Chefin, die ihn mit Unterlagen von der Staatsanwaltschaft am Kopierer erwischt hatte. Jetzt aber war er dankbar für das alte Zeug, denn manchmal wühlte er abends darin und brachte mit dem ziellosen Nachdenken über alte Fälle ein paar Stunden rum, eine Variante von Sudoku und Landwirtschafts-Simulator  2013 . Und zugleich eine seltsam fragmentarische Zeitreise in seine Epoche der Filmrisse: Bei vielen Unterlagen konnte er sich entweder nicht mehr an den Fall erinnern oder nicht mehr daran, was er sich davon versprochen hatte, dieses Tatortprotokoll oder jene Zeugenaussage mit nach Hause zu nehmen.
    Und so war es auch mit diesem Peters aus der Gesundheitsbehörde, von dem Adam gestern nichts hatte hören wollen: mit dem war irgendwas gewesen. Es war schon eine Weile her, fünf Jahre, vielleicht zehn, und Peters hatte damals schon was zu sagen gehabt im Senat, eher Innenbehörde, damals war er noch nicht bei der Gesundheit, und bei irgendeiner Ermittlung hatte er ihnen das Leben schwergemacht. Rotlichtmilieu, organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Zwangsprostitution: In Finzis Erinnerung war seine Zeit bei dieser Dienststelle ein einziges frustrierendes Chaos aus ungeklärten Nationalitäten, grippekranken Übersetzern und undurchschaubaren Bandenstrukturen. Zumindest hatte er eine ungefähre Ahnung, wo im Keller er suchen konnte.
    Zu Hause machte Finzi sich einen grünen Tee, und während der zog, aß er in Tomatensoße eingelegten Dosenhering im Stehen, dazu eine Scheibe Schwarzbrot aus der Plastiktüte. Dann überlegte er kurz, wieder mit dem Rauchen anzufangen. Er nahm seinen Tee mit in den Keller, wo er einen Verschlag mit einem guten Dutzend Aktenkartons hatte.
    Im Keller hatte alles angefangen, damals, in Eppendorf. Zuerst eine Flasche, die er mit hinuntergenommen hatte, um seine Ruhe zu haben. Später eine oder zwei in jedem Karton, fast zärtlich eingebettet in angegilbte Unterlagen, das ideale Versteck. Bis Britta ihn das erste Mal nachts um drei oder vier dort in seinem Verschlag gefunden hatte, eingeschlafen über leeren Flaschen, einen geographisch geformten Pissfleck auf der Jeans. Wenn er jetzt in den Keller ging und die Kartons öffnete, hatte er manchmal Angst, doch noch einen Flachmann oder einen Kurzen von damals zu finden.
    Er nahm einen Schluck, fand den grünen Tee wie immer zickig, unversöhnlich, aber auch unwiderstehlich. Er stellte die Tasse ins Regal und seufzte. Das Zeug war ungeordnet oder nach einem

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