Treibland
oder wie?»
«Echt?»
«Nicht gerochen?»
«Ich riech nichts mehr. Was meinst du, warum ich’s mit dir aushalte, Adam.»
«Von wegen, wir finden die Bender. Ich finde die. Du stehst gar nicht auf der Liste für das Schiff.»
«Pass auf, dass du niemandem auf die Schnauze haust, wenn du da nächstes Mal an Bord gehst.»
«Hm.»
«Woher diese Wut, Adam?»
«Bleib bei deinen Sudokus, Andreas Finzel.»
«Da kommt noch was nach. Wegen dem Passagier, dem du ins Gesicht geschlagen hast. Hat die Chefin schon gesagt.»
«Ganz ehrlich? Der Typ kann doch erst offiziell Beschwerde einreichen, wenn er wieder von Bord ist. Also in zwei Wochen. Und dann hat er wahrscheinlich ganz andere Sachen auf dem Zettel.» Das klang unendlich viel kaltschnäuziger, als ihm zumute war.
«Vielleicht ist er dann ja auch tot.» Nachdem Finzi es ausgesprochen hatte, war es nicht annähernd so tröstlich, wie es theoretisch hätte sein können. Rückenschmerzen, dachte Danowski. Verdammte Karre, den ganzen Tag im Auto hier. Oder doch das Ende der Welt. Aber das war nur das eine. Er beobachtete, wie Sorgeninseln sich in ihm ausbreiteten und drauf und dran waren, sich zu einer Depression zusammenzuschließen. Das andere war: Woher diese Wut, Adam?
«Ich hoffe nicht», sagte er lahm.
Finzi lenkte mit einer Hand und hielt mit der anderen sein Telefon so weit weg, dass er seine Nachrichten lesen konnte. Ordnungswidrig. «Und kannst du mir mal verraten, warum Behling nachher mit mir einen Kaffee trinken will? Er schreibt, er will was mit mir besprechen. Falls ich das hier richtig lese.»
«Ich glaube», sagte Danowski und spürte, wie ihm das Herz noch tiefer sank, «der will einfach mit dir besprechen, dass er ein Arschloch ist.»
17 . Kapitel
Trauer, Reue, die Angst vor der Krankheit und die Sehnsucht nach ihrem Sohn – all das verdrängte Simone Bender, indem sie sich mit zwei Fragen quälte. Zwei Fragen, über die sie immer wieder nachdenken konnte, während sie mit dem Rücken auf der unteren Pritsche eines Etagenbetts lag, deren obere leer war, in der immer zu warmen oder zu kalten Uniform, die ihre Bewacher ihr gegeben hatten, nachdem sie ihre Kleidung weggenommen hatten:
Warum wurde sie hier versteckt gehalten?
Und warum fand sie keiner?
Wobei die zweite Frage, wie sie ahnte und fürchtete, präziser lauten musste: Warum suchte sie keiner?
So weit unten, wie sie hier war, hörte sie das zerstreute Nageln der Schiffsdiesel, die im Stand-by-Betrieb die Stromgeneratoren für das Schiff in Gang hielten. Ihre Bewacher waren nachlässig, so, als sähen sie selbst den Sinn nicht so ganz, oder als wäre jemand mit der Bezahlung für ihre Dienste im Verzug. Oder sie waren wie die meisten aus der Besatzung mit der Frage beschäftigt, was passieren würde, sobald die Dieseltanks leer waren und die Reederei sich weigerte, auf eigene Kosten das Schiff neu zu betanken. Jedenfalls verhinderten sie nicht, dass Simone Bender sich, wenn sie zur einfachen Gemeinschaftstoilette ging, auf dem Gang mit der Kabinenstewardess unterhielt. Am Anfang hatte sie nicht darüber nachgedacht, warum sie hier unten in den Mannschaftsquartieren isoliert waren. Nach Carstens Tod hatte sie sich von Uniformierten willenlos wegführen lassen und sich nicht darüber gewundert. Irgendwas mit Quarantäne. Doch langsam war ihr klargeworden, dass ihre Bewacher sich nicht für Medizin interessierten. Und weil sie nicht wollten, dass jemand sie sah, handelten sie offenbar in inoffiziellem Auftrag.
Die Kabinenstewardess Mary und sie, auf einem Gang: weil sie außer dem Schiffsarzt die Einzigen waren, die den kranken und sterbenden Carsten gesehen hatten und die hätten erzählen können, was genau sich zugetragen hatte? Ließ sie jemand verstecken, der auf keinen Fall wollte, dass Polizisten ihnen Fragen stellten? Und was hätte sie den Polizisten überhaupt gesagt? Sie fand das, was sie gesehen hatte, so schwer zu verstehen, dass jemand schon sehr gute Fragen hätte stellen müssen, um es ihr und sich begreiflich zu machen.
Und suchte die Polizei genau deshalb so halbherzig nach ihr? Eine Durchsage hatte sie gehört, mehr nicht. Weil es einfacher war, diese Fragen nicht zu stellen und sich stattdessen darauf zu beschränken, das Schiff abzusperren und die Passagiere im Rahmen der Quarantäne sich selbst zu überlassen?
Aus den Gesprächen mit Mary und aus dem, was sie bei ihren wenigen Ausflügen zum Oberdeck gesehen und aufgeschnappt hatte, reimte sie sich zusammen,
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