Treibland
der beiden an Alkohol.
«Die Sache mit den Afrikanern wird spätestens morgen ein großes Ding in den Medien», berichtete der Bürgermeister-Assistent, sichtlich erleichtert über Schelzigs Abwesenheit. «Die einen greifen das, ich möchte sagen: dankbar auf, die anderen werfen wem auch immer Ausgrenzung und Rassismus vor. So oder so: Die Leute suchen nach Sündenböcken.»
«Ja, darüber müssen wir reden», sagte Peters. Danowski sah aus dem Fenster, während sie vielstimmig und in immer neuen Formulierungen ein Statement gegen Vorverurteilungen und Rassismus beschlossen.
Wodurch, dachte Danowski, dann auch alle, die bisher nicht den Gedanken gehabt hatten, die Verbindung würden ziehen können: Afrikaner, Virus, Hamburger angesteckt.
Aber er sagte nichts. Er dachte an Torf, kaltes Meerwasser, Wollpullover und verspürte Heimweh nach einer großen Liebe, die er nie gekannt hatte, und er fragte sich, warum, bis die Sitzung sich auflöste.
«Stimmt es, dass Sie in Richtung Witwe ermitteln?»
«Wer sagt das?»
«Ihre Chefin.»
«Na ja, ‹ermitteln› ist vielleicht das falsche Wort.» Es war Montagmorgen, und er hatte den Staatsanwalt am Telefon. Habernis und er lieferten sich einen Wettkampf in Unaufgeregtheit. «Aber sagen wir mal so», schwang Danowski sich auf, «irgendwie trau ich’s ihr zu. Sie wusste, dass ihr Mann eine Geliebte hatte, sie hätte allerhand finanzielle Motive, sie hat eine starke Affinität zu jenem Teil Afrikas, aus dem das Virus möglicherweise stammt, und sie hat uns gegenüber hier und da eine Lebenseinstellung an den Tag gelegt, die einen vermuten lässt, dass sie es mit der Grenze zwischen Leben und Tod nicht allzu genau nimmt.»
«Vage.»
«Keine Ahnung, welches Sternzeichen sie ist.»
«Ich meine, das ist alles ziemlich schwammig, und Sie haben eigentlich nichts.»
Während Danowski mit dem zuständigen Staatsanwalt telefonierte, erbrach Finzi sich am gegenüberliegenden Schreibtisch pantomimisch. Er hielt wenig von Habernis, einem ehrpusseligen Hagestolz mit Locken und randloser Architektenbrille, der als vorsichtig bis an den Rand der Handlungsunfähigkeit galt.
«Na ja, aus dem finanziellen Kram könnte man was bauen», sagte Danowski. «Zumindest ein Grund, sie mal im Präsidium zu befragen. Vielleicht ergibt sich daraus was.»
«Nichts überstürzen», sagte Habernis. «Vor allem möchte ich nicht in der Presse lesen, dass die Polizei sich für die Witwe interessiert. Und nachher wird dann nichts draus.»
«Also?»
«Ich kann Sie da nicht groß unterstützen, Herr Danowski.» Sie legten auf.
«Endlich», sagte Finzi. «Und was sind das für ‹allerhand finanzielle Motive›, von denen du unserem dröhnbüddeligen Freund aus der Staatsanwaltschaft erzählt hast?»
Danowski schob ihm einen halbzentimeterhohen Stapel Computerausdrucke hin. «Kalutza hat was in einem Forum für Whiskyfreunde gefunden. Carsten Lorsch hatte eine richtige kleine Fan-Gemeinde, du glaubst nicht, wie viel Zeit die Leute damit verbringen, sich im Internet über sein Zeug auszutauschen. Und die Leute waren alarmiert, weil seine Firma angeblich verkauft werden sollte. Es gab einen amerikanischen Investor, der sich für die Bestände an alten Whiskys interessiert hat. Aber nicht, um sie weiterhin zu verkaufen, sondern als Kapitalanlage für einen Hedgefonds.»
«Das denke ich auch manchmal: Warum habe ich das ganze Zeug bloß selber getrunken, statt es als Geldanlage zu sehen?»
«Na ja, es scheint, als hätte Carsten Lorsch die Firma und seine Bestände nicht verkaufen wollen. Trotz eines Angebots in Millionenhöhe. Und jetzt, wo er tot ist …»
«Der Witwe ist der ideelle Wert seiner Schätze und die Bedeutung, die der Fusel für Whiskyfans hat, völlig egal», sagte Finzi und nickte andächtig. «Schönes Motiv: ein paar Millionen haben oder nicht haben.»
«Genau.»
«Und warum sitzt Kathrin Lorsch nicht hier?»
«Weil ich sie nicht erreiche und weil die Staatsanwaltschaft uns nicht gerade ihre Unterstützung aufdrängt.»
Für einen Moment saßen sie einfach herum und hätten es ewig weiter so tun können. Danowski driftete innerlich ins Leere. Dann platzte die Chefin in sein Vakuum, und er tat sofort wach, als hätte er ihr schon die ganze Zeit was sagen wollen: «Es würde sich vielleicht lohnen, sich mal genauer die Besitzverhältnisse der Firma des Opfers anzuschauen.» Dabei nahm er die Füße vom Tisch. «Und insgesamt ein paar Bankdaten der Witwe und des Opfers. Aber
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