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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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niemand, wie viel Blut sie den infizierten Tieren abgenommen haben. Genug, um hin und wieder was an die Labors des amerikanischen Militärs zu schicken. Die den ganzen Vorgang dann irgendwann an sich gezogen haben. Aber vielleicht haben sie auch viel mehr Blut abgenommen, und wenn das so war: Wer weiß, wo es geblieben ist. So viel zu deinem Schwarzmarkt.» Sie gähnte.
    «Aber das ist zwanzig, fünfundzwanzig Jahre her.»
    «Ja. Aber wenn man das Zeug einfriert und immer mal wieder in frischem Blut neue Viren züchtet, dann hält sich das fast ewig. Und das können auch Amateure. Es reicht, sich selbst Blut abzunehmen. Und den ganzen anderen Kram kriegt man in jedem Laborbedarf. Übers Internet.»
    Danowski schwieg. Er betrachtete die Silhouette ihrer gutgemeinten, von Leslie praktisch durchdachten und von den Kindern mit allerhand Kram vollgestopften Wohnzimmereinrichtung im Lichtkegel der Stehlampe, deren Energiesparleuchtmittel langsam den Höhepunkt seiner Wirkungsmacht überschritten hatte.
    «Jedenfalls hat es nach dem 11 . September Gerüchte gegeben, dass Terroristen auf Umwegen an Ebola-Viren gekommen sein könnten. Und wenn man sich das nicht vorstellen konnte, haben einem die Kollegen immer gern von dem legendären Affenhaus erzählt», fuhr Ehlers fort. «Ach ja: Und natürlich gibt es auch in den Ländern, aus denen die Affen kommen, ganz ähnliche und wahrscheinlich nicht besonders gut kontrollierte Zwischenlager für Affen, die zu Forschungszwecken verschickt werden sollen. Keine Ahnung, wie oft es da irgendwelche Ausbrüche von Ebola gibt. Aber theoretisch kann weltweit eine ganze Menge Blut mit viraler Belastung im Umlauf sein.»
    «Eignet sich das denn für einen Terroranschlag?»
    «Nicht so richtig. Filoviren sind nicht über die Luft übertragbar. Jedenfalls in keinem bekannten Fall. Das dauert viel zu lange auf den gängigen Übertragungswegen.»
    «Über die Haut.»
    «Ja. Hände und Schleimhäute, vor allem. Überall, wo man kleinste Verletzungen haben könnte.»
    «Theoretisch hätte sich also jemand vor zehn, zwanzig Jahren in Afrika dieses Virus in Blut besorgen und so lange aufbewahren oder reproduzieren können?»
    «Theoretisch könntest du jetzt auch auflegen und in einer Viertelstunde bei mir sein, und wir könnten das Ganze noch mal richtig in Ruhe besprechen.» Dann: «Ja, theoretisch ginge das. Aber warum sollte jemand einen so komplizierten Weg wählen, um jemanden auf einem Kreuzfahrtschiff zu infizieren?»
    «Ganz einfach», sagte Danowski. «Weil es so kompliziert ist. Und weil es ein großes bürokratisches Chaos, ein riesiges Aufsehen und möglicherweise Anfänge von Panik und Hysterie auslösen würde. Vielleicht weitere Ansteckungen. Und dann würde nach und nach immer mehr untergehen, wo und wie sich das erste Opfer angesteckt haben könnte. Vor allem, wenn ein Teil der Besatzung aus Afrika kommt und es vielen wunderbar logisch erscheint, dass ein Afrikaner das Virus eingeschleppt haben muss. Und weil niemand jemals darauf käme, dass jemand einen so komplizierten Weg wählt. Das perfekte Verbrechen über sehr viele Umwege.
Wegen
sehr vieler Umwege.»
    «Niemand außer dir würde darauf kommen.»
    Danowski nickte. Dann sagte er eine Weile nichts und dachte an Kathrin Lorsch. Nachdem er aufgelegt hatte, fiel ihm ein, dass er Kristina Ehlers kein einziges Mal nach ihrem Konflikt mit Tülin Schelzig gefragt hatte und danach, wie es ihr ging.

21 . Kapitel
    Pflichtbewusst schleppte Danowski sich am Wochenende zum nächsten Termin ins Krisenzentrum und stellte fest, dass Schelzig und die Hälfte der anderen schwänzten. Dafür war eine ernste Schweizerin mit kleinem Gesicht von der WHO da und jeweils ein junger Referent vom Gesundheitsministerium in Berlin, einer vom Verbraucherschutzministerium und einer von Bildung, Wissenschaft und Forschung. Sie kannten sich offenbar und saßen deshalb zusammen, konnten sich aber nicht entspannen, weil jeder davon überzeugt war, wichtiger zu sein als die anderen beiden. Wer von der ursprünglichen Hamburger Besetzung gekommen war, zeigte sich im Sonntagsmodus: Danowski mit am Hinterkopf verfilztem Sofahaar, der Bürgermeister-Assistent im T-Shirt mit dem Wappen der Harvard-Universität, Peters von der Gesundheitsbehörde in Golfhosen und mit raffinierter sonntäglicher Alkoholfahne, die Danowski irgendwie bekannt vorkam. Etwas, wonach Finzi früher gerochen hatte? Unwahrscheinlich, bei den mutmaßlich stark unterschiedlichen Anforderungen

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