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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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geben, Hauptkommissar Danowski?»
    Danowski hatte sich gerade ein wenig mit Apfelsaft bekleckert, als alle ihn ansahen. Er fing an, sich mit einer dünnen Serviette abzuwischen, um seinen Blackout zu überspielen. Mit dem Ergebnis, dass die Stille sich ausdehnte und ihm schien, dass alle jetzt langsam wirklich gespannt auf seine Ausführungen warteten. Sogar Schelzig hatte ihr Telefon sinken lassen und sah ihn quer durch den Raum stirnrunzelnd an. Der Bürgermeister-Assistent rieb sich sogar allen Ernstes die Stirn, um ein leichtes Kopfschütteln aufzufangen.
    Ich habe nichts, dachte Danowski. Aber das hatte er zuletzt in der achten Klasse zugegeben. «Das würde ich gern tun», sagte er und räusperte sich hinterher. «Aber im Moment darf ich Ihnen leider nichts dazu sagen.» Im Grunde, dachte er hektisch, stimmte das ja sogar: Er durfte nichts sagen, weil es nichts zu sagen gab, also wäre es Zeitverschwendung oder gelogen gewesen, wenn er irgendwas gesagt hätte, und man durfte weder lügen noch die Zeit anderer verschwenden.
    Einzig ein Mann jenseits der Pensionsgrenze, der heute zum ersten Mal da war und den Peters vorgestellt hatte, als Danowski mit dem Apfelsaft beschäftigt gewesen war, weswegen er dessen Funktion nicht mitbekommen hatte, sah ihn relativ freundlich und auf gewisse Weise väterlich an. Steenkamp, dachte Danowski. Immerhin hatte er den Namen mitgekriegt. Er wollte seinem Blick ausweichen, um sich auf die Fabrikation seiner eigenen Ausführungen zu konzentrieren. Aber er spürte eine seltsame Mischung aus Trauer, Müdigkeit und Härte in Steenkamps Blick, die ihm Rätsel aufgab und ihn anzog zugleich. Vielleicht ist es das, was man als Vater irgendwann in den Augen hat, wenn man lange genug durchhält, dachte er abgelenkt.
    «Heißt das, es gibt offizielle staatsanwaltschaftliche Ermittlungen?», fragte Peters.
    «Noch nicht.» Danowski riss sich zusammen. «Sie werden verstehen, dass es zu früh ist, Ihnen weitere Auskünfte zu geben. Offiziell kann ich Ihnen nichts sagen, inoffiziell sage ich, dass mein Kollege Finzi und ich verschiedene Spuren verfolgen.»
    «Finzi?», fragte Peters, als kennte er viele Polizisten, aber keinen Finzi. «Hauptkommissar Finzel», verbesserte sich Danowski. Das passierte ihm immer mal wieder. Peters hob ein wenig angeberisch die Augenbrauen, als käme ihm der Name bekannt vor. «Einerseits verstehe ich Ihre Diskretion», wandte er ein, irritiert, «aber andererseits müssen Sie bedenken, dass es für den Krisenstab absolut relevant ist, wenn Sie zum Beispiel in Richtung Bioterrorismus oder Mord ermitteln.»
    «Definitiv nicht Richtung Bioterrorismus», sagte Danowski, der langsam Angst vor den möglichen Nachwirkungen seiner eigenen Phrasen bekam. «Mord müssen wir zumindest erst noch ausschließen.»
    «Was bleibt denn da noch drittes?», fragte Peters, und Danowski sah, wie den Mann von der Gesundheitsbehörde ein Blick des Alten traf. Sie tauschten irgendein kurzes stummes Signal, und Danowski wurde klar, dass der Alte Peters mit der Autorität seiner Jahre dazu ermahnte, den armen kleinen Polizisten jetzt mal langsam in Ruhe zu lassen. Das war gut. Jeder sollte immer einen alten Mann mit im Raum haben, der sich um einen kümmerte. Eine Art gerontologischen Kommunikations-Schutzengel.
    Und jetzt reichte es glücklicherweise auch dem Assistenten des Bürgermeisters. Er riss seine Hände vom Gesicht und zischte übertrieben dramatisch: «Können wir jetzt bitte mal weitermachen? Präventive Maßnahmen war das Stichwort. Da würde uns mal interessieren, was wir kommunizieren können und wie viel Geld wir dafür in die Hand nehmen müssen.»
    Na bitte, dachte Danowski, schob sich einen Kokoskeks zwischen die Zähne und lehnte sich zurück. Nun hab ich mich ein bisschen wichtig gemacht, dann darf ich jetzt auch den Rest der Veranstaltung in Ruhe hier absitzen.
    Tatsächlich interessierte ihn nur bedingt, was der Alte jetzt erzählte, aber es machte Spaß, ihm dabei zuzusehen und zuzuhören. Glücklicherweise hatte Peters ihn noch mal vorgestellt, darum wusste Danowski jetzt, dass er als Vertreter einer Reihe von Pharma-Unternehmen hier war, die sich auf Impfstoffe spezialisiert hatten. Er sprach mit gelangweilt gedehnter Hamburger Stimme, aber nicht ausufernd und eitel, sondern knapp und präzise, so, als wäre er eigentlich lieber woanders. Er hatte eine Hand in der Hosentasche seines Anzugs, was bei einem jüngeren Mann unpassend unernst gewirkt hätte, ihm aber

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