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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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kleinen Konferenzblock mit dem Logo eines Mineralwasserherstellers und schrieb darauf: «Arizona», zog ein Oval um das Wort und machte dann einen Pfeil, an dessen Ende er «Virus» schrieb, und einen anderen, an dessen Ende er «Firmenkäufer?» schrieb. Dann machte er zwischen «Virus» und «Firmenkäufer» eine gestrichelte Linie mit einem weiteren Fragezeichen darüber.
    Okay, dachte er, im Moment noch ein paar Fragezeichen zu viel, aber zumindest so auf dem Papier sah das wie echte Polizeiarbeit aus.
    «Viel wichtiger als all das» sagte Schelzig, als fällte sie ein Urteil über sein Gekritzel, «scheint mir aber die Suche nach der Frau, mit der Carsten Lorsch gereist ist.»
    «Simone Bender», sagte Danowski erklärend, weil er endlich was wusste und weil sich Steenkamp und Peters einen irritierten Blick zuwarfen: Männer, die es hassten, nicht auf dem Laufenden zu sein.
    «Suchen Sie die», sagte Schelzig, mehr anweisend als empfehlend. «Und suchen Sie die Kabinenstewardess, die Carsten Lorschs Bett gemacht hat. Das sind unsere Hauptkandidatinnen für die als Nächstes ausbrechenden akuten Infektionen.»
    Danowski schaute fragend Richtung Reederei. «Frau Bender ist nicht in ihrer Kabine», sagte der Vertreter der Schiffseigner und hielt Danowskis Blick mühelos stand. «Andere Anhaltspunkte für den Aufenthaltsort von Passagieren haben wir nicht. Und was Frau Mary Linden angeht, so kann ich nur sagen, dass sie sich durch ihr Verschwinden den Dienstanweisungen widersetzt hat und mit ihrer Kündigung rechnen muss.»
    «Und der Schiffsarzt?», fragte Danowski.
    «Er wird weiterhin von uns in der Screening-Station isoliert», sagte Schelzig. Wir bereiten ihn auf den Transport ins Institut vor, um ihn dort unter Quarantäne zu halten. Denn …» Sie machte eine Kunstpause. «Seit gestern hat er Fieber. Das kann ein Symptom für unseren Virus sein, aber er ist auf Drogenentzug, weil wir ihn nicht im von ihm gewöhnten Umfang mit Morphium und anderen Opiaten versorgen. Das heißt, sein Fieber kann auch Teil eines Opioidentzugsyndroms sein. Jedenfalls ist er im Delirium und steht Ihnen für Aussagen nicht zur Verfügung.»
    Danowski seufzte, weil er Schelzigs nächsten Satz vorausahnte: «Sie müssen zurück an Bord», sagte sie.

24 . Kapitel
    Null von fünf Säulen: Unter Wasser hatte sie keinen Empfang. Sie saß im Inneren des Schiffsbauchs auf dem Rand ihres metallenen Etagenbetts und hatte das dringende Gefühl, unterhalb der Wasserlinie zu sein, sie fühlte sich wie versunken. Gab es hier nur Innenkabinen, weil die weniger wichtigen Crewmitglieder so tief unten untergebracht waren, dass es keine Bullaugen mehr gab?
    Seit ihrem letzten Ausflug zum Oberdeck hatten sie sie nicht mehr aus den Augen gelassen. Die Kabinentür war offen, aber draußen, auf dem schmucklosen hellgrauen Gang mit den unverkleideten Metallwänden, lungerte immer jemand herum, der darauf achtete, dass sie nicht weiter als bis zu den Waschräumen ging. Sie stand auf und stellte fest, dass sie sich zum ersten Mal nicht den Kopf an der Pritsche über ihr gestoßen hatte. Sie gewöhnte sich an alles, das wusste sie. Sie hielt ihr Telefon fest und setzte einen Gesichtsausdruck auf, von dem sie hoffte, dass er besorgt und ein wenig unbedarft zugleich war.
    «Hier», sagte sie auf Englisch und schwenkte ihr Telefon.
    «Was?», fragte der Kleine mit dem doppelt geknöpften weinroten Blazer, der im Moment dafür zuständig war, auf sie aufzupassen. Das Grau in seinen zurückgekämmten schwarzen Haaren war so hell, dass es aussah, als hätte er es aufgemalt.
    «Kein Empfang.»
    Er zuckte die Achseln. «No reception, no call. No problem.»
    «Mein Sohn wird sich Sorgen machen.»
    «Keine Nachrichten sind gute Nachrichten.» Aber sie merkte, dass er einen kurzen Moment gezögert hatte.
    «Mein Sohn wird sich Sorgen machen und anfangen, herumzufragen, wenn ich mich nicht hin und wieder melde.»
    «Herumzufragen?»
    «Er arbeitet bei der Zeitung.» Dies stimmte nur im weitesten Sinne: Luis hatte bis Ostern hin und wieder in Vertretung eines Nachbarjungen den
Alsterkurier
ausgetragen, das wöchentliche Anzeigenblatt in Winterhude. Für 5 , 85 die Stunde. Dann hatte er das Interesse daran verloren.
    Ihr Bewacher im weinroten Blazer kniff die Augen zusammen und musterte sie. Sie sah ihn an, als merkte sie nicht einmal, dass sie geprüft wurde. Sie hielt seinem Blick stand, scheinbar geduldig und ohne Hintergedanken. Sie war geübt darin, die prüfenden

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