Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser
sich getrennt haben, berichten, dass diese Phase viel Kraft gekostet hat. Sie wollten negative Veränderungen in ihrer Partnerschaft und in ihren Gefühlen nicht wahrnehmen und konnten sie dennoch nicht mehr übersehen . »Es war ein ständiges Aufblitzen von Enttäuschungen. Ich konnte mich nicht dagegen wehren.« … »Ich wurde immer energieloser, hatte zu nichts mehr Lust und schaute gleichzeitig ständig anderen Männern hinterher.« … »Ich redete, redete, redete … an die Wand.« … » Ich hatte keine Ideen mehr, etwas zu verändern, ich wartete auf irgendwas.«
Die ersten Anzeichen einer absterbenden Beziehung sind nicht leicht zu erkennen, denn in allen Ehen und Partnerschaften gibt es Krisen. Dieses gehört zum normalen Beziehungsgeschehen dazu, denn nur positive Gefühle zu empfinden oder vom anderen zu erwarten, entspricht einer Illusion. So dürfte es nur wenige Verheiratete oder Paare geben, die nicht irgendwann einmal an Trennung oder Scheidung gedacht haben. Gleichzeitig positive und negative Gefühle zu haben, nennt man Ambivalenzen. Dieser Zustand der Unentschlossenheit kann sehr kurz sein, kann sich aber auch lange hinziehen oder zum Dauerzustand einer Ehe werden. Das Zerrissensein zwischen der Entscheidung, in der Beziehung zu bleiben oder zugehen, ist kräftezehrend, denn es ist ja bereits eine Folge von Enttäuschung und Leid. Es ist eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen.
Wird das Leiden aneinander größer als das Sichfreuen und Miteinanderwachsen, verfestigen sich die Probleme, und gegenseitige Angriffe oder/und Rückzüge nehmen zu. Die Zuneigung und Liebe schwinden immer mehr. Es kommt zu einer emotionalen Abwärtsentwicklung. Viele Gewohnheiten und Verhaltensweisen, die bisher hingenommen wurden, stören immer mehr und entpuppen sich als Zündstoff. Die positiven Seiten des anderen verlieren an Glanz, die negativen treten in den Vordergrund. Erste Trennungsfantasien tauchen auf und verschwinden wieder. Es ist eine quälende Zeit zwischen Hoffnung und Resignation. Orientierungslosigkeit und Zukunftsängste breiten sich aus. Die Kommunikation bricht ab oder verschlechtert sich auffällig. Zeiten von Rückzug und Sprachlosigkeit wechseln sich ab mit Zeiten von massiven Streitigkeiten oder auch Versöhnungsversuchen.
Teilt ein Partner verstärkt Unzufriedenheit, Zweifel und Trennungsgedanken mit, hat der andere die Chance, sich auf eine mögliche Trennung einzustellen. Die Trennungsentscheidung kommt dann nicht unvorbereitet und wird eher von beiden getragen. Werden dauerhaft ambivalente Gefühle nicht kommuniziert, entsteht durch die Geheimhaltung und durch die zunehmenden Zweifel eine negative Spannung. Es entwickelt sich ein Abschiedsprozess auf Raten, und die Gedanken wandern immer mehr in Richtung getrennte Zukunft. Viele Trennungsambivalente betreiben eine »heimliche Buchführung« , indem sie Beweise und Argumente dafür sammeln, dass ihre Trennungsabsicht gerecht und begründet ist. Die Indizien werden beim »heimlich Ambivalenten« jedoch meist erst eröffnet und eingesetzt, wenn die faktische Trennung beginnt. Der endgültige Trennungsentschluss braucht meistens den » Tropfen auf dem heißen Stein «, sei es eine weitere Enttäuschung, eine plötzlich veränderte Lebenssituation (Tod eine Elternteils, Arbeitslosigkeit …), der Übergang zu einem neuen Lebensabschnitt (runder Geburtstag, Volljährigkeit des jüngsten Kindes, Arbeitsplatzwechsel, Rentenbeginn), um nur einigeszu nennen. In vielen Fällen haben dann heimliche Geliebte die Funktion, Trennungsambivalente » loszueisen « (Sieder 2008).
Getrennte Paare berichten im Rückblick, dass der innere Trennungsprozess schon lange begonnen hat, bevor sie sich definitiv getrennt haben. Auch diejenigen, die plötzlich und unvorbereitet verlassen wurden, erkennen im Nachhinein, dass sie vieles übersehen haben, was sie eigentlich immer wieder gestört hat. Schon damals haben sie geahnt, dass sie von ihrem gemeinsamen Weg abkommen und aufhören, einander wahrzunehmen. » Ich habe mir immer wieder vorgestellt, dass ich lieber allein mit den Kindern leben möchte, habe mich aber nicht getraut, den Schritt zu tun. Jetzt hat er mir das mit seiner Trennungsentscheidung abgenommen und ich bin ihm trotzdem böse, obwohl ich ihm doch dankbar sein könnte. Ich glaube, ich wollte die Trennungsverantwortung nicht übernehmen, um ihm die Schuld geben zu können.«
Gerade die Paare, die ihre Beziehung als fest und stabil bezeichnen und
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