Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser
auf einem Foto , »aus dem jemand eine Gestalt mit einem präzisen Scherenschnitt herausgelöst hat, und nun ist die fehlende Gestalt wichtiger, beherrschender als alles andere«. Es kommt zwar seltener vor, aber Partner, die auf diese wortlos aggressive Weise verlassen werden, brauchen oft lange, um zu einem Abschluss zu kommen, da ein verstehender und akzeptierender Abschied nicht möglich ist.
Während kurze und strittige Beziehungen sehr plötzlich enden können, erstreckt sich die Ambivalenzphase in langjährigen Beziehungen in der Regel über einen längeren Zeitraum.
» Ist die Trennung oder gar Scheidung wirklich die einzige Möglichkeit, die mir noch bleibt? Sollte ich nicht noch mal, und noch mal einen Neuanfang versuchen, um der Kinder und meiner selbst willen? Bedeutet Trennung nicht Aufgeben und Scheitern? Werde ich allein dastehen, weil mich meine Familie und meine Freunde für diesen Schritt verurteilen? Ich weiß nicht, was auf mich zukommt, aber so kann und will ich nicht weiterleben. Ich will die Qual der Leere in meinem Herzen und zwischen uns nicht weiter ertragen. Ich trenne mich von dir …« (Ausschnitt aus einem Trennungstagebuch)
Was für den einen Partner das Ergebnis einer längeren inneren Auseinandersetzung ist, bedeutet für den anderen » kämpfen oder aufgeben «. Erst jetzt beginnt für den ›Nichttrennungsaktiven‹ die eigentliche Auseinandersetzung mit der bevorstehenden Trennung, da er möglicherweise die Anzeichen der Zerrüttung nicht wahrnehmen wollte oder konnte, besonders dann, wenn eine heimliche Außenbeziehung der Auslöser zur Trennung ist. Manche Betroffene beginnen, intensiv und hoch emotional für die Rückkehr des Partners zu kämpfen. Sie begeben sich auf die Suche nach Verbündeten bei Freunden, Eltern und oft auch bei den Kindern. Es scheint so, als ob sie sich rüsten für das, was auf sie zukommt.
Für eine Beziehung zu » kämpfen « kann sich lohnen, aber nur, wenn bei dem fortdrängenden Partner noch Beziehungsressourcen vorhanden sind und der für die Beziehung Kämpfende sich zwar emotional engagiert, aber fair verhält. Das würde bedeuten, auf Verbündete von außen zu verzichten, die eigene Zuneigung deutlich zu machen und in dem wegstrebenden Partner wieder positive Beziehungsgefühle und Veränderungshoffnungen wecken zu können. Dazu müsste derjenige, der die Beziehung aufrechterhalten möchte, die Trennungswünsche des anderen ernst nehmen, verstehen wollen und sich selbst mit einer möglichen Trennung auseinandersetzen. Wenn es noch eine Chance zur Fortsetzung der Beziehung geben kann,dann nur, wenn beide anerkennen, dass die Partnerschaft in der bisherigen Form gescheitert ist. Das wahrzunehmen, heißt trauern um das, was nicht gelungen ist. Trauer eröffnet den Weg nach vorn. Auch bei einem Neuanfang in der alten Beziehung ist es notwendig, einen inneren, manchmal vorübergehend äußeren Trennungsweg zu mehr Unabhängigkeit zu gehen, um sich neu füreinander zu entscheiden – nicht, weil man einander braucht, sondern um sich gegenseitig zu bereichern, um aneinander und miteinander zu wachsen. Manchmal gelingt es Paaren in dieser Phase, mit oder ohne therapeutische Unterstützung eine Trennung auf Zeit zu vereinbaren, um die eigenen Beziehungsgefühle zu ordnen oder letztendlich Zeit für die Vorbereitung auf eine endgültige Trennung zu haben.
Manche Betroffene in dieser Situation geben nicht nur » kampflos « die Beziehung und ihren Partner auf, sondern auch sich selbst. Ihr Selbstwertgefühl ist aufgrund jahrelanger Konfliktspannung und gegenseitiger Abwertung immer geringer geworden. Sie fühlen sich zunehmend lebensuntüchtig und unfähig, eine Entscheidung zu treffen. Sie reagieren mit einer Depression, Sucht oder anderen psychosomatischen Erkrankungen. Das können unbewusste, hilflose Appelle an den verlassenden Partner sein, zu bleiben oder zurückzukommen. Eine Lösung wäre das nicht. Stiemerling meint, dass eine Beziehung endgültig zerrüttet ist und die Aufrechterhaltung moralisch nicht mehr zu rechtfertigen ist, »wenn die Summe an Leid und Elend die wenigen Befriedungsmomente bei weitem überschreitet«. (Stiemerling 2006)
Vielleicht pendeln auch Sie gerade hin und her zwischen kämpfen oder aufgeben:
→ An welchem Punkt werden Sie akzeptieren, dass Ihre Beziehung gescheitert ist?
→ Was werden Ihre Konsequenzen sein?
→ Werden Sie sich trennen oder weiter hoffen?
→ Werden Sie die Beziehung ertragen, bis Sie nicht
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