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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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über einen Baumstamm, und Arkadi überlegte, ob er so nahe an ihn herankam, dass er sich eine der beiden Pistolen schnappen konnte, die in seinem Hosenbund steckten. Aber während er noch überlegte, war Alex, ein gutes Beispiel gebend, mit Dymtrus bereits weitermarschiert und plauderte, um ihn bei Laune zu halten.
    »Soll ich Ihnen von dem Kammerjäger erzählen? Das war lustig. Sonntagmorgens war der für die Kameras in Iwanows Haus zuständige Mann immer verkatert. Ich übernahm seine Vertretung und sah dieselben Bilder wie der Mann von der Rezeption in der Eingangshalle, und sowie der Van in die Zufahrt rollte, rief ich ihn auf der Sicherheitsleitung an und bat ihn, mir die Besucherliste vom letzten Monat durchzugeben. Die ist nicht im Computer gespeichert. Der Mann muss sich von der Straße abwenden, den Ordner aus einer der unteren Schubladen holen, den gewünschten Tag aufschlagen und dann seine eigene Handschrift entziffern, kann also die Monitore nicht im Auge behalten. Ich weiß das alles, weil ich ihn wochenlang beobachtet habe. Der Kammerjäger besaß die Codes für den Hintereingang, den Lieferantenaufzug und Iwanows Etage, und ich hatte ihm zwölf Minuten Ablenkung versprochen. Nach der Hälfte der Zeit kam der Techniker zurück und wollte mich wieder ablösen. Ich schüttelte den Kopf und redete weiter mit dem Mann an der Rezeption, denn ich wartete darauf, dass der Kammerjäger zurückkam. Jetzt verstehe ich, warum Menschen eine kriminelle Laufbahn einschlagen. Der Nervenkitzel ist unglaublich. Ich gab dem Techniker zwei Aspirin, und er ging, um sich ein Glas Wasser zu holen. Im selben Augenblick betrat der Kammerjäger die Gasse, schneller jetzt, denn er musste das Salz nicht mehr schleppen. Er verstaute alles im Wagen und fuhr davon. Ich dankte dem Mann an der Rezeption, legte auf und beobachtete ihn. Er steckte den Ordner zurück, schaute nach oben in die Kamera, ließ den Blick über die Monitore gleiten, spulte die Bänder von der Straße und der Lieferantenzufahrt zurück. Er entdeckte den Van und rief den Portier herein, der sofort nach hinten verschwand. Es war, als sei ich selbst in der Halle. Wir warteten, der Mann von der Rezeption und ich. Der Portier kam wieder, schüttelte den Kopf und sprang in den Aufzug. Auf den Monitoren konnte ich verfolgen, wie er von Etage zu Etage fuhr, an Türen klopfte. Sein Kollege in der Halle, immer mit einem halben Auge nach der Kamera schielend, blieb supercool, bis der Portier wieder runterkam. Kein Problem, kein Grund zur Besorgnis, alles unter Kontrolle. Wir sind gleich da, Renko.«
    Arkadi grunzte, um seinen Teil zum Gespräch beizutragen. Eine Leiche durch einen dichten Wald zu schleppen war kein Zuckerschlecken. »Karel«, keuchte er.
    »Karel war der Kammerjäger, und er hat seine Sache gut gemacht. Leider ist er nachlässig geworden und muss ein oder zwei Körnchen Cäsium erwischt haben. Ich habe ihm und den Woropais tausendmal erklärt, was Radioaktivität ist, aber ich bin wohl nicht durchgedrungen.«
    »Und der Van?«
    »Karel war mein Freund. Die Woropais auch. Ich habe ihnen zugehört. Verrückt, was die noch Großes vorhatten. Sie waren einfache Jungs aus der Sperrzone, sie hätten es nie zu Neurussen gebracht. Wir haben uns gerächt, jeder auf seine Weise.«
    »Wofür?«
    »Für alles.«
    Arkadi war zu erschöpft, um diesen Punkt zu vertiefen. »Nicht für alles. Nennen Sie mir einen Grund.«
    »Eva.«
    »Was ist mit ihr?«
    »Sie wissen es.« Alex fuhr sich mit der flachen Hand über den Hals.
    Das Dornengestrüpp hinter der Schule hatte sich zu einem Dickicht ausgewachsen. Alex bog Äste zur Seite, um Arkadi die letzten Meter bis zu der Wippe und den Stühlen zu erleichtern. Als Arkadi sein geisterhaftes Spiegelbild in einem Fenster der Schule erblickte, wendete er seinen Blick lieber ab, bevor er sich vollends in Jakow verwandelte.
    »Nicht absetzen«, sagte Alex.
    »Wieso nicht? Sie wollten doch Ihren Pritschenwagen holen.«
    »Nein. Wir bringen sie zu Karel.«
    »Zu Karel?« Wozu ans andere Ende des Platzes?, fragte sich Arkadi.
    »Wir sind ja fast da«, erklärte Alex. »Die Kletterei ist vorbei, der Rest ein Kinderspiel.«
    Das war’s, dachte Arkadi. Deshalb war er noch am Leben und lag nicht tot neben dem Sumpf. Damit Alex nicht dreimal hin- und hergehen musste. Hilfsbereit wie immer, hatte er für ihn zwei Leichen hierher geschafft, Taras und sich selbst. So gab es keine Reifenspuren auf dem Boden und kein Blut auf der Pritsche

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