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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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beiseite kickend, die Treppe hinauf. Taras kam herein, blieb am Fuß der Treppe stehen. Arkadi stieß einen Bücherschrank die Stufen hinunter. Schreibhefte flatterten. Taras brauchte seinem Bruder nicht zuzurufen, wo Arkadi steckte; es war nicht zu überhören.
    Erster Stock. Der Musikraum. Ein Klavier lehnte wie ein Betrunkener an einer losen Tastatur. Der dumpfe Ton einer Trommel, gegen die unabsichtlich getreten wurde. Alle Töne, die ein Xylophon hervorbringen konnte, wenn jemand darüber stolperte. Eine Ein-Mann-Band. Schwere Tritte auf der Treppe. Dymtrus. Das nächste Zimmer ein Drunter und Drüber von Büchern, Tischen und Bänken. Der Türrahmen neben Arkadis Kopf splitterte, bevor er den Schuss hörte. Er schleuderte eine Bank den Gang entlang und wusste, dass er getroffen hatte, denn er vernahm einen Fluch. Das letzte Zimmer war ein Ruheraum, in dem Puppen auf weißen Betten schliefen. Arkadi wickelte sich in eine Matratze und sprang durch die Fensterscheibe.
    Er landete zwischen Wippschaukeln auf dem Hintern, robbte zu den Bäumen und kroch unter einen Strauch. Er spürte ein oder zwei Dornen und merkte zudem, dass er sich geschnitten hatte. Blut lief ihm den Nacken entlang in den Camo, doch jetzt war nicht die Zeit für eine Schadensbilanz. Im Mondlicht sah er, dass die Brüder aus dem zerbrochenen Fenster zu den Bäumen herüberspähten. Noch konnte er entkommen. Zumindest würde ihm so viel Zeit bleiben, wie sie brauchten, um durch den Flur und dann die Treppe hinunter zur Vordertür zu rennen, während er in die entgegengesetzte Richtung lief. Doch sie waren Sportler. Dymtrus setzte den Fuß aufs Fensterbrett und sprang, landete auf der Matratze und rollte sich ab. Taras folgte seinem Beispiel, und gleich darauf waren sie Arkadi so nahe, dass er ihren Atem hörte. So nahe, dass ihm eine Mischung aus Wodka und Kölnischwasser in die Nase stieg.
    Sie gaben einander ein Zeichen und trennten sich. Arkadi konnte nicht erkennen, wohin sie verschwanden, doch er vermutete, dass sie sich nur eine kurze Strecke entfernten, dann kehrtmachten und genau zu der Stelle kamen, wo er lag. Wenn es ihm gelang, den Wald zu erreichen, konnte er nach Westen in Richtung Karpaten oder nach Osten in Richtung Moskau marschieren. Der Himmel war die Grenze.
    Im Wald war es laut. Das Zirpen von Grillen und Zikaden. Das Scharren unsichtbarer Vögel nach Maden, Würmern und Asseln. Ein Mann konnte in dem Lärm einfach verschwinden. Tot sowieso.
    Ein Stein, ein Backstein, irgendetwas flog gegen die Mauer der Schule. Taras, der einen Arm hängen ließ, als sei er verletzt, rannte nach vorn und bog um die Ecke. Arkadi nutzte die Gelegenheit. Er kroch unter dem Strauch hervor und schlüpfte zu der Stelle, die Taras eben verlassen hatte. Ein paar Dornen steckten in seinem Fleisch. Zusätzliche Tarnung.
    Sie hatten ihn hereingelegt. Dymtrus erwartete ihn hinter einem Baumstamm, doch Arkadi stolperte, und die Kugel, die ihm die Schulter weggerissen hätte, pfiff über ihn hinweg. Als Dymtrus vortrat, um nach ihm zu sehen, war er schon wieder auf den Beinen und rannte im Zickzack zwischen den Bäumen den Berg hinunter.
    Er hatte kein Ziel. Er wollte zu keiner bestimmten Straße oder Stelle, er rannte einfach nur. Da die Zone unbewohnt war bis auf die Beschäftigten in Tschernobyl und die alten Leute in den schwarzen Dörfern, würde er weit rennen müssen. Die Rufe der Brüder kamen näher. Sie waren hinter ihm, jeder auf einer Seite. Ein Problem war, dass Mondlicht kein richtiges Licht war. Wie aus dem Nichts tauchten Äste vor ihm auf und schlugen ihm ins Gesicht. Tückische Wurzeln krümmten sich am Boden. Die Strahlenwarnschilder schienen sich zu vervielfachen.
    Jedes Mal, wenn er einen Blick nach hinten riskierte, stellte er fest, dass einer der Brüder näher gekommen war. Wieso waren sie so schnell? Der Hang wurde steiler, und sie trieben ihn durch immer höheren Farn. Seine Beine wurden schwer, und vor ihm tauchte ein Streifen silbernes Wasser auf.
    Es war ein kleiner Sumpf, umringt von vermodernden Bäumen ohne Äste. Schilf. Das Plumpsen von Fröschen. Mitten drin ein buckliger Biberdamm und obendrauf eine Warntafel.
    Er zog sich auf festeren Boden zurück. Er fand keine Steine. Ein Ast, den er aufhob, zerbröselte. Unbewaffnet trat er dem angreifenden Taras entgegen, warf ihn über die Hüfte und wandte sich Dymtrus zu. Dymtrus kämpfte wie ein Eishockeyspieler, grapschte mit der einen Hand und schlug mit der anderen zu. Arkadi

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