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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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Lager vor. Der Jude gab keinen Laut von sich. Angélique indes atmete schwer, so als bekäme sie keine Luft.
    Als Sean den Raum betrat, schreckte Joshua hoch. »Ach, du bist es!«, rief er aus, und es war ihm anzusehen, dass er sich erschreckt hatte.
    »Ich löse dich ab, Joshua. Du bist ganz erschöpft, du musst dich unbedingt schlafen legen. Wie geht es Angélique?«
    Joshua stand auf und reckte sich. »Am Abend hat sie geschlafen. Dann muss ich selbst eingeschlafen sein. Es scheint ihr besser zu gehen. Die Hitze in ihrem Inneren ist abgeklungen. Sie fühlt sich jedenfalls kühler an.«
    Sean ergriff die Hand der Kranken. Er küsste sie. Dann setzte er sich auf die Bettkante.
    »Angélique? Kannst du mich hören?«
    »Das Reden ist vergeblich, Sean. Sie scheint wach zu sein, aber nichts zu hören. Zumindest reagiert sie nicht.«
    Sean stiegen die Tränen in die Augen. »Sie stirbt. Ich spüre es. Sie stirbt elendig unter unseren Händen weg, wie die Ratten in den Straßen. Es gibt keine Hoffnung für sie.«
    »Wir dürfen die Hoffnung niemals aufgeben, Sean!«, entgegnete Joshua tröstend. Und nach einer kurzen Pause fragte er: »Von welchen Ratten sprichst du?«
    »Von den Tieren in den Straßen. Sie verenden überall. Auch im Gasthaus habe ich welche gesehen.«
    »Dann scheint Quimper recht schmutzig zu sein. Ratten lieben den Schmutz, musst du wissen, sie leben in Kellern und Untergeschossen, auf Müllhaufen und in Ställen. Aber solange sie niemanden beißen, besteht keine Gefahr.« Joshua wollte sich schon abwenden, als ihm plötzlich aufging, was an Seans Schilderung seltsam war. »Du sagst, sie sterben?«
    »Ja, und alle auf dieselbe Weise. Blut rinnt ihnen aus den Schnauzen. Sie springen wild im Kreis herum, schreien und verenden.«
    »Hm. Das ist merkwürdig. Es hört sich fast so an, als litten sie an derselben Krankheit wie Angélique. Aber das kann ich kaum glauben. Ein Mensch, den eine Tierkrankheit befällt? Und wie sollte so ein adrettes Mädchen wie Angélique überhaupt mit Ratten in Berührung gekommen sein?«
    »Wer weiß?«, sagte Sean gedankenverloren. »Vielleicht war ein Kontakt aber auch gar nicht nötig. Vielleicht kommt alles Schlechte aus der Erde heraus. Dort hat es sich gesammelt und bricht nun hervor. Und warum sollten Tiere und Menschen dann nicht gleichermaßen befallen werden? Wissen wir, was die Erde birgt?«
    »Mein Sean, fast könnte man meinen, du seist der Kranke! Du redest Unsinn. Am besten, du gehst wieder nach Hause. Es nützt Angélique wenig, wenn du hier sitzt und phantasierst. Sie braucht Hilfe.«
    Sean schien verzweifelt. »Ach, Joshua. Ist das das Leben? Eine Zeit voller Angst und Schrecken, geprägt von Flucht, Kampf, Krankheit und Tod?«
    »Sean, bitte, es reicht. Ich sage es dir noch einmal: Es nützt Angélique herzlich wenig, wenn du herumjammerst! Hole kaltes Wasser von unten und wasche ihr Gesicht, Hals und Arme, damit ist ihr mehr gedient. Sie wird es dir danken, auch wenn sie nicht spricht.«
    »Ja, Joshua!«
    Sean erhob sich taumelnd. Wie im Traum stieg er in die Treppen hinunter und holte Wasser aus dem Brunnen im Garten. Für ihn war alles, was in Quimper geschah, unverständlich. Sean of Ardchatten zweifelte am Sinn der Schöpfung.
    Als er wieder ins Krankenzimmer kam, hing Angélique über der Bettkante. Joshua hielt ihr einen Eimer hin, in den sie in mehreren Schwallen gelbliche Galle erbrach. Jetzt sah Sean, dass seine Geliebte drei große dunkle Flecken am Hals hatte. Als sie sich erneut erbrach, breitete sich ein ekelhafter Geruch im Zimmer aus.
    Sean torkelte zu einem der drei Fenster und riss es auf. Er atmete die kühle Nachtluft ein und kam langsam zu sich. Mit Tränen in den Augen wandte er sich wieder der Szene im Zimmer zu. Joshua hatte den Eimer abgestellt. Angélique lag keuchend in den Kissen, ihre Augen waren offen und blutunterlaufen. Joshua rieb ihr behutsam das Gesicht mit einem Lappen ab.
    Sean setzte sich neben das Strohlager und spürte, wie heiße Tränen in ihm aufstiegen. Er zwang sich dazu, sich zu beherrschen, obwohl es ihm schwer fiel, denn er begriff, dass seine Trauer der Kranken nicht half. Aber er hätte hemmungslos weinen können.

 
    3
     
     
     
    Frühling 1318. Verkündigung des Herrn
     
    Sie feierten den Weg in das ewige Leben durch den Tod. Von jetzt an war jeder Sonntag ein Osterfest im Kleinen, ein wöchentliches Paschafest. Im Wort und im gemeinsamen Mahl verkündeten die Priester die Auferstehung des Herrn. Doch

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