Treuepunkte
hat sie damals gelallt. Was, frei übersetzt, wohl so viel heißen sollte wie:
Er ist ein Knaller im Bett, unermüdlich und ausdauernd. Sabine war wochenlang untröstlich.
Aber weg von Sabine zurück zu Mett-Mischi. »Andrea, es ist so weit, halte dir den Samstag in vier Wochen frei, wir haben Klassentreffen. Der gesamte Jahrgang kommt. Das wird der Knaller.« Ich habe noch am Telefon beschlossen, auf keinen Fall hinzugehen, bei Mett-Mischi aber Begeisterung geheuchelt. »Schön, Mischi (ich muss jedes Mal Acht geben, nicht Mett-Mischi zu ihm zu sagen), da freue ich mich. Wenn ich irgendwie Zeit habe, komme ich.« Ich mag Klassentreffen nicht, was keinesfalls an meiner mangelnden Neugier liegt, sondern eher an meiner Schulzeit.
Ich habe nie zu den tonangebenden Cliquen gehört. Ich war eine der Mitläuferinnen, eine von denen, die froh waren, wenn man sie entweder in Ruhe gelassen hat oder ihnen auch nur einen Hauch von freundlicher Beachtung geschenkt hat. Ich war auch nie Klassensprecherin, noch nicht mal Stellvertreterin und ich glaube, es hat mich niemals auch nur jemand zur Wahl vorgeschlagen. Ich war so unscheinbar, dass es keinem aufgefallen wäre, wenn ich am nächsten Tag einfach nicht mehr erschienen wäre. Vielleicht ist das alles auch völlig übertrieben, aber in meiner Erinnerung ist die Schulzeit nicht etwas, wonach ich mich sehne. Deshalb habe ich nach meinem Abitur auch nie mehr Kontakt mit irgendwem aufgenommen. Das Merkwürdige an Klassentreffen ist, dass man, ohne es zu wollen, fast unbewusst in die damalige Rolle zurückfällt. Egal wie man dagegen ankämpft, man ist wieder die kleine bleiche Schnidt, die mit der Brille aus der achten Klasse – und darauf kann ich sehr gut verzichten.
Aber um es kurz zu machen, ich bin dann doch hingegangen. Aus reiner Neugier. Obwohl ich vorher alles versucht habe, um mir auch ohne Erscheinen die wichtigsten Informationen zu sichern. Ich habe tatsächlich zwei ehemalige Freundinnen angerufen und sie gebeten, mir nach dem Jahrgangstreffen Bericht zu erstatten. Leider bin ich auf Granit gestoßen.
»Haha«, hat Karolina nur gesagt, »schlau gedacht, Schnidt, aber wer nicht kommt, kriegt auch nichts erzählt.« Ich hätte es mir denken können. Karolina war schon in der Schule keine, die einen hat abschreiben lassen. Die hat tatsächlich mit ihrem Mäppchen so kleine Mauern gebaut, nur damit ja niemand von ihren wahnsinnig tollen Ideen profitiert. Auch bei Britta, der Rothaarigen mit den Riesenbrüsten (Britta hatte schon Brüste, da hatten wir Übrigen noch nicht mal Pickel), kann ich nicht landen. »Hast du so angesetzt oder warum willst du nicht kommen?«, hat sie erst mal gefragt. Kinder und Zeitplanung hat sie als Ausrede nicht gelten lassen. »Ich habe fünf Kinder und komme. Also reiß dich mit deinen zweien am Riemen. Ich werd dir nichts verraten, wenn du nicht kommst. Habe ich auch Karolina versprochen. Die hat mich nämlich schon angerufen und gesagt, dass du dich bestimmt auch bei mir melden wirst und versuchst zu kneifen.« Fünf Kinder. Unglaublich. Hat die seit der Schule überhaupt mal ein Wochenende gehabt, ohne schwanger zu sein? Fünf Kinder, das sind fünf mal neun Monate. 45 Monate sind knappe vier Jahre Schwangerschaft. Allein das bewundere ich an Frauen mit vielen Kindern. Jahrelang nur zu ahnen, dass man Füße hat!
Nachdem Karolina und Britta so vehement abgelehnt
hatten, mich nach dem Jahrgangstreffen zu informieren, blieb mir ja nur noch, selbst hinzugehen oder zu sagen: »Mir doch egal, was die alle so treiben.« Aber das Spannende an Jahrgangstreffen ist ja, zu sehen, wie sich die anderen so entwickelt haben. Kann man endlich auftrumpfen? Ist die Beautyqueen von damals jetzt ein richtiger Mops geworden, sind die Schlausten auch die Erfolgreichsten und vor allem, für mich die dringende Frage: Was macht der schöne und unerreichbare Luke? Ich war verrückt nach Luke (mit richtigem Namen Ludger!). Von der siebenten Klasse an bis zum Abitur. Leider war Luke umgekehrt kein bisschen verrückt nach mir. Ansonsten war Luke wenig wählerisch. Er war sowohl mit Karolina als auch mit Britta zusammen. Mit Britta sogar immer wieder mal (bei den Brüsten kein Wunder!). Luke hatte langes welliges dunkles Haar und eine irrsinnige Figur. Luke hatte auch ein Moped und Luke hat geraucht. Luke war lässig. Luke war der Held. Ich krame alte Schulfotos raus und verbringe 20 Minuten vor einem Porträt von Luke. Was für ein Kerl. Einer von denen, die
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