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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Buchstabensortiert, um den Überblick zu behalten. Wenn die jetzt auch noch Hausmusik machen, bin ich platt. »Spielen alle ein Instrument?«, frage ich deshalb. »Nee, zwei haben mal Blockflöte angefangen, aber das kann man ja kaum aushalten. Akustisch
gesehen«, antwortet Britta lachend und ich bin froh. Ich präsentiere meine Kinder und wir beteuern uns gegenseitig, wie besonders süß alle sind. Die Hunde und die Kinder.
     
    Ich halte mich am Büfett zurück, allerdings weniger beim Apfelwein. Nach zwei Stunden (immer noch kein Luke weit und breit zu sehen) renne ich bestimmt zum dritten Mal aufs Klo. Meine Blase scheint ähnlich nervös wie der Rest von mir. Als ich den Saal wieder betrete, deutet Mett-Mischi mit dem Finger eindeutig auf mich. »Die Schnidt, also Leute, manche ändern sich nie«, brüllt er durch den Saal und lacht wie bekloppt. Ich bin verunsichert, vor allem weil der komplette Saal auf mich starrt. Was ist da los? Da bemerke ich das Desaster. Ich tropfe. Also nicht ich, sondern mein, ach so lässiger, Poncho. Er hinterlässt eine eindeutige Spur auf dem Bürgerhausboden. Es dämmert mir: Ich habe den Poncho beim Pipimachen ins Klo hängen lassen. Ich hoffe, es war nach dem Spülen. Wie kann man nur so blöd sein? Hektisch reiße ich ihn mir über den Kopf, ein paar Tropfen fliegen und dann stehe ich mit aufgeknöpfter Jeans vor meiner gesamten Jahrgangsstufe. Der Saal rast. Vor Gelächter. Und ich habe, während ich zurück zum Klo renne, ein grauenvolles Déjà vu. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich schon einmal. Allerdings liegt es Jahre zurück.
    Es war in der neunten Klasse. Ich war während der Schulstunde auf Toilette und als ich zurück in den Klassenraum kam, schaute Herr Girstmann mich so seltsam an. Herr Girstmann war unser Erdkundelehrer. Meine Mitschüler waren weniger zurückhaltend. Die sind fast
an ihrem Gelächter erstickt. Noch bevor ich die nonverbalen Signale von Herrn Girstmann deuten konnte (Herr Girstmann ist ein eher verklemmter Typ), habe ich dann – als Letzte von allen – auch bemerkt, was los war. Mein Rock steckte in der Unterhose! Hinten – vorne war alles in Ordnung, aber von der Rückseite betrachtet, stand ich in Unterhose vor der Klasse und bin so auch noch frohgemut zum Platz zurückgetrappelt. Ein Albtraum, vor allem, weil ich eine selten dämliche Unterhose anhatte. Eine mit Wochentagen drauf. Mittwoch stand quer über meinem Po. Das Gelächter kann ich immer noch jederzeit abrufen. Und es ist kaum anders gewesen als das heute. Noch Jahre später war einer der Running Gags in der Schule: »Was ist denn heute für ein Tag? Andrea, kannst du eben mal deinen Hintern zeigen?« Selbst bei der Abiturrede war mein Po Thema! »Heute ist der letzte Tag an dieser Schule – und wer wissen möchte, an welchem Wochentag der glücklichste Tag unserer Schulzeit war, wende sich an Andrea Schnidt!«
    Ich möchte den Rest des Abends auf dem Klo verbringen. Oder durch den Hinterausgang des Saals einfach verschwinden. Ausgerechnet ich muss diesen dämlichen Poncho ins Klo hängen. Als wäre ich nicht schon klotraumatisiert. Ich sollte Toiletten weiträumig umgehen. Oder mich vor dem Besuch einer Toilette komplett ausziehen. Oder nichts mehr trinken, um mich der Gefahr eines Klobesuches gar nicht erst auszusetzen. Ich wusste doch, warum ich eigentlich nicht zum Jahrgangstreffen wollte. Was nützt mir meine teure superschicke Jeans, wenn jetzt alle gesehen haben, dass ich den obersten Knopf nicht zukriege? Was tun? »Größe zeigen, Schnidt, lach mit,
da stehst du drüber«, sagt eine Stimme in mir, aber die Stimme ist sehr zaghaft und der Rest Andrea fühlt sich exakt so gedemütigt wie damals.
    Karolina hat mich dann gerettet. »Komm zurück, der Luke ist gekommen und ist schon ganz traurig, dass er deinen Auftritt verpasst hat.« Immerhin etwas. Luke hat meine Schmach nicht live miterlebt. Es gibt doch einen Gott! Dieser miese Mett-Mischi. Die Qualle! Hätte der nicht so losgeplärrt, wäre es wahrscheinlich kaum einem aufgefallen. Das kriegt der zurück! »Jetzt komm halt mit, sei doch nicht so kindisch«, zieht Giorgio Armanis beste Freundin, genannt Karolina, mich in Richtung Saal. Ich gebe nach, schließe den Jeansknopf und tatsächlich, als ich den Saal wieder betrete, kümmert sich kein Mensch um mich, denn mitten im Raum steht Luke. Wie eine Erscheinung. Umringt von nahezu allen Frauen aus unserer Klassenstufe. Luke – der umwerfende Luke. Auch Karolina steuert,

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