Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
Vom Netzwerk:
auf unser Gespräch wirklich gespannt. Sie tut mir Leid, aber insgeheim beruhigt mich ihre Aussage schon. »Entspann dich«, benutze ich ihr früheres Vokabular, »ich melde mich irgendwann morgen.« »Gut«, sagt sie und »tschüs.« Na, das ging aber sehr schnell. Ich komme mir vor wie eine fiese Versicherungstante, die etwa so willkommen ist wie ein Genitalherpes. Aber immerhin kann ich nun sagen: »Ich habe alles getan, was ich tun konnte.« »Morgen bekomme ich die Telefonnummer von der Verena«, teile ich meinem Gatten mit. »Gut«, sagt er nur. Über ein bisschen mehr Ekstase hätte ich mich schon gefreut. Aber immerhin. Wir überlegen gemeinsam, wie wir das Ganze Claudia beibringen können. Er plädiert für die Verzögerungstaktik. »Noch ist Zeit, man sollte sie nicht unnötig aufregen.« Weil ich auch wenig Lust auf das Gejammer habe, stimme ich zu.
    Die gute Nachricht erreicht uns wenige Tage später. Wir stehen auf der Warteliste von Direktor Knuschke. Sollte jemand abspringen, umziehen oder was auch immer, besteht die Chance, dass wir nachrücken. Wie großzügig vom Herrn Direktor. Am liebsten würde ich anrufen und ihm mitteilen, dass er sich seine Warteliste sonst wohin stecken kann. Christoph findet die Nachricht prima: »Siehst du. Wie schlau, dass wir Claudia noch nichts gesagt haben, so kriegt sie vielleicht noch
einen Platz und wir hätten sie völlig umsonst verrückt gemacht.« Was uns der Knuschke leider nicht mitgeteilt hat, ist unsere Wartelistenposition. Wie viele sind da drauf? Nach welchem Kriterium werden da Positionen vergeben? Das ist mir alles definitiv zu viel Affentheater. Das Schöne: Vom Gemischten Gymnasium bekommen wir ohne Wenn und Aber eine Zusage. »Sie geht dahin«, finde ich und sage das auch genau so zu Christoph. »Ich mache mich doch nicht zum Bittsteller bei diesem blöden Knuschke, der unsere Tochter auf irgendeine Warteliste setzt. Wir sollten anrufen, einen Rest Stolz zeigen und sagen, dass wir verzichten.« Christoph hält mich für bekloppt: »Das interessiert doch später keine Socke, wie sie auf diese Schule gekommen ist, und natürlich werden wir es ihr auch nicht sagen, dass sie erst über eine Warteliste reingerutscht ist«, bleibt für ihn die Sache beschlossen.
     
    O Gott! Ich muss Mark abholen. Ich schnappe den Schlüssel und eile zu meinem Wagen. In vier Minuten macht der Kindergarten zu und ich brauche für den Weg sechs Minuten, allerdings nur, wenn mir die Ampelschaltungen gewogen sind. Ein Zwei-Minuten-Leck tut sich auf. Mist. Ich schaffe es, in fünf Minuten da zu sein. Neuer Streckenrekord.
     
    Vor dem Kindergarten renne ich fast in einen Kerl rein, der aussieht wie mein Erdkundelehrer aus der achten Klasse. Herr Girstmann. Den habe ich das letzte Mal vor einem guten Jahr getroffen. Nicht, weil ich mich privat mit meinen ehemaligen Lehrern treffe (es gibt solche Menschen angeblich wirklich), sondern weil wir Klassentreffen,
genauer gesagt Jahrgangstreffen, hatten. Ein denkwürdiges Jahrgangstreffen. Ich erinnere mich ganz genau. Obwohl es über ein Jahr her ist.
     
     
    Mett-Mischi hat mich angerufen. Mett-Mischi war mit mir in der Schule, sein Name kommt wegen seiner Eltern, die eine Metzgerei hatten, und seiner fiesen Mettbrötchen, mit denen er die Frauen erobern wollte. Ich habe ihn Jahre später im Krankenhaus wieder getroffen. Ich war zum Entbinden da, er als Arzt. Umgekehrt wäre es mir lieber gewesen, Mett-Mischi ist ein Typ Mann, den man nicht gerne unten ohne trifft. Schon allein die Tatsache, dass Mett-Mischi es geschafft hat, Medizin zu studieren, war gelinde gesagt eine gewisse Überraschung, denn er hat in der Schule nicht durch Intellekt geglänzt. Mein Bild vom Arzt an und für sich hat das doch ein wenig erschüttert.
    Meine Freundin Sabine hat sich dann wahnsinnig in Mett-Mischi verliebt, was sicherlich zum Teil auch daran liegt, dass Mett-Mischi Mediziner ist. Sabine bekommt glasige Augen, wenn sie einen weißen Kittel sieht. Leider hat Mett-Mischi sie dann wieder sitzenlassen und das – wie profan – für eine sehr junge Krankenschwester, die O-Ton Mett-Mischi »sich mehr in seine Arbeit reindenken kann«. Sabine hat schlimm gelitten, mir bis heute relativ unverständlich, aber Mett-Mischi muss Qualitäten haben, von denen wir damals als Schülerinnen noch gar nichts ahnten. Sabine hat ihn nach ein paar Gläschen Wein mal als ungeschliffenen Diamanten bezeichnet. »Der hat erst so selten, da ist noch Saft und Kraft drin«,

Weitere Kostenlose Bücher