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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Wahrscheinlich ist sie ihm nicht mal aufgefallen. Kein Wunder, wenn man den ganzen Tag diese Wahnsinnsmähne von Belle Michelle beglotzt. »Gut, ich habe eh zu arbeiten«, gibt er auf und ich ahne, was er mit Arbeit meint. Wenn ich weg bin, hat er Zeit, schön mit seiner Belle Michelle zu telefonieren. Bitte sehr. Ich habe ja meinen Helmuth. Dass Christoph nicht mal wissen will, mit wem und wohin ich gehe, ärgert mich.
    Ich ziehe mich zurück, und schon um ihn zu ärgern, mache ich mich so hübsch wie irgendwie möglich. Ärger kann anspornen. Vielleicht kann ich meinem häuslichen Ignoranten wenigstens noch einen klitzekleinen Stich versetzen. Ich ziehe eine Jeans an und ein nettes Top. Lässig, aber doch ganz sexy. In meine neuen Haare sprühe ich dermaßen viel Festiger und Spray, dass man mir sicher demnächst ein eigenes Ozonloch widmen wird. Aber heute sind mir meine Haare eindeutig wichtiger als der Umweltschutz. Außerdem trenne ich meinen Müll. Jedenfalls meistens. Immerhin: Vielleicht ruiniert es die Ozonschicht, aber es zeigt Wirkung. Anfassen darf man die starre Masse zwar nicht, aber optisch ist sie durchaus vorzeigbar.
    Fertig aufgebrezelt verabschiede ich mich von Christoph.
Er mustert mich gründlich, kann sich aber augenscheinlich nicht zu einem Kompliment durchringen. Stattdessen sagt er nur: »Ist was mit deinen Haaren? Die sehen irgendwie komisch aus.« Komisch. Sehr freundlich. Komisch für 227  Euro 80 . Ich erspare mir eine Antwort. Ihm müssen die Haare ja nicht gefallen. Jedenfalls heute Abend nicht. »Ich muss los, warte nicht auf mich, es kann spät werden«, sage ich noch, bevor ich zur Tür gehe. »Viel Spaß«, sagt mein Mann ziemlich lakonisch und erhebt sich nicht mal aus dem Sofa. Interessiert es ihn tatsächlich nicht, wo ich hingehe, oder will er nur cool sein? Aber bitte, wer nicht fragt, kriegt auch keine Antwort. Ich kann auch cool sein oder immerhin so tun als ob.
     
    Das Sirtaki ist noch schlimmer als ich dachte. Eine richtige Spelunke in einer der düstersten Ecken der Mainzer Landstraße. Was will Helmuth nur hier? Das wird auf jeden Fall Punkt eins auf der Liste – der Lernliste für Helmuth: Führe Frauen niemals in miese Restaurants. Aber gut – jetzt bin ich schon mal da und wir müssen den Rest des Abends ja nicht hier verbringen.
    Helmuth kommt zu spät. Ich hasse Zuspätkommen. Vor allem bei anderen. Ich finde es eine Zumutung, eine Respektlosigkeit. Ich meine, auf George Clooney zu warten, würde ja noch Sinn machen, aber auf einen Helmuth? Wie trostlos ist das denn? Vor allem in dieser Kneipe hier. Das Sirtaki Restaurant zu nennen, könnte wahrlich ein Zeichen für Geisteskrankheit sein. Außer Helmuth scheinen das auch alle zu wissen. Ich bin nämlich der einzige Gast und der Wirt interessiert sich nicht
besonders für mich. Mit Müh und Not habe ich es geschafft, ein Glas Retsina und ein Wasser zu bekommen. Die Plastiktischdecke ist etwa so klebrig wie das Haupthaar des Wirts. Was hat sich Helmuth nur gedacht? Vielleicht arbeitet er nebenher für »Verstehen Sie Spaß« und kommt gleich mit Frank Elstner um die Ecke. Ich habe Hunger und merke, wie sich selbst auf meinem Kopf die Depression breit macht. Das Haarspray scheint nur eine begrenzte Wirkzeit zu haben. Die starre Masse fällt in sich zusammen. Wie ein Soufflé, das man zu früh aus dem Ofen genommen hat. Jetzt ähnelt meine Haarpracht der des Wirtes. Ich trinke auf den Schrecken noch einen Retsina.
     
    Helmuth kommt just in dem Moment, als ich wieder gehen will. Fünfundzwanzig Minuten zu spät. Wenn das nicht dreist ist, weiß ich nicht, was überhaupt dreist ist. Ich bin wirklich wütend. Helmuth scheint die Sache nicht mal besonders peinlich. Er lacht. »Mein Trainer hat gesagt, es wirke lässiger, nicht schon angespannt im Lokal zu warten, es sei besser, ein wenig zu spät zu kommen«, sagt er nur. Ich halte ihm einen viertelstündigen Vortrag über Höflichkeit an und für sich und sage ihm, dass er so niemals Aussichten auf ein erfolgreiches Date habe. Da ich schon dabei bin, sage ich ihm auch die Wahrheit über sein Outfit. Helmuth ist still. Erschüttert geradezu. »So schlimm, schlimm?«, verfällt er vor lauter Schreck wieder in seine Wortwiederholerei. Kleinlaut, wie er nun da sitzt, plagt mich sofort das Mitleid. Ich sage ihm, dass die Substanz gar nicht übel sei und ich aus ihm sicherlich was machen könne. »Wann?«, will er nun wissen. Ich verspreche,
mir diese Woche auf jeden Fall

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