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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Zeit für ihn zu nehmen.
    Jetzt sind wir beide entspannter. Ich, weil ich meinen Zorn über sein Zuspätkommen losgeworden bin, und er, weil da doch noch ein Hauch von Hoffnung besteht. Drei Stunden später, nach nunmehr fünf Retsina und zwei Uzo, gefällt es mir schon viel besser im Sirtaki. Richtiggehend gemütlich ist es hier. Und eins muss man dem Sirtaki lassen – die Lichtverhältnisse sind günstig für Frauen über 30 . Es ist so funzeliges Licht, dass man garantiert nicht ein Fältchen erkennen kann. Mittlerweile kenne ich die Lebensgeschichte von Helmuth und verstehe ihn schon viel besser. Eigentlich sieht er auch gar nicht so schlimm aus. Es gibt ja diesen Ausdruck Schöntrinken und ich bekomme langsam eine Ahnung davon, was damit gemeint ist. Nach knapp vier Stunden gesteht mir Helmuth seine Liebe. »Ich hab dich sehr gern, sehr gern«, lallt er. Sogar meine Kinder will er adoptieren. Gewagt, wo er sie doch noch nicht einmal kennt. Trotzdem sehr schmeichelhaft für mich. Es gibt ein Alter, so irgendwas über 30 , in dem die Komplimentenlage oft sehr abrupt kippt. Auf einmal herrscht eine seltsame Dürre. Selbst weiß man gar nicht genau, warum. Man fühlt sich definitiv nicht alt und auch nicht weniger anziehend als am Tag zuvor. Und trotzdem – es herrscht eine bedrohliche Ruhe an der Hinterher-pfeif-Front.
    Der nächste Mann, der sich so reizend wie Helmuth um mich bemüht, wird bestimmt dafür bezahlt und mein Zivildienstleistender sein. Schon deshalb ist der Abend eine Art Seelenpeeling für mich. Ich fühle mich begehrenswert. Helmuth tut mir gut und – um die Stimmung
nicht zu zerstören – übernehme ich sogar die Rechnung. Hier zeigt sich ein weiterer Pluspunkt des Sirtaki. Für den Betrag hätte ich anderswo, in irgend so einem Trendschuppen, nicht mal die Vorspeisen bezahlen können.
    An sich dürfte ich keinesfalls mehr Auto fahren. Ich bin hackedicht. Nicht so, dass ich über der Kloschüssel hängen müsste oder einen x-beliebigen Gartenzaun anspucken würde, aber doch so knülle, dass ich eigentlich nicht mal ans Autofahren denken dürfte. Ich habe sogar in Erwägung gezogen, Helmuth zum Abschied einen Zungenkuss zu geben. Das sagt nun wirklich alles über meinen akuten Alkoholpegel. Helmuth bietet an, mich zu fahren. Aber bevor ich bei einem Betrunkenen ins Auto steige, fahre ich lieber selbst betrunken. Obwohl ich garantiert meinen Führerschein los bin, wenn ich in eine Kontrolle gerate. Jahrelang wollte ich immer gerne mal kontrolliert werden, damit ich mich dann als Frau Sauberfrau über den Pöbel erheben könnte. Wie doof von mir. Wenn man einen im Tee hat – so ist es jedenfalls bei mir –, sieht man so einiges schnörkelloser und kann sich sogar von sich selbst distanzieren. So, als würde man neben sich stehen und sehen, was die Person – die man ja selbst ist – da an Quatsch so treibt. Ist das irgendwie wirr? Ja. Ich sagte doch schon: ich habe echt einen sitzen.
    Übrigens – ich habe die Zunge weggelassen. Intuition, siebter Sinn, oder auch nur Augen im Kopf – ich weiß nicht, was mich letztlich davor bewahrt hat, Helmuth die Mandeln zu kraulen. Ich könnte das. Ohne angeberisch zu sein. Ich habe eine irrsinnig lange Zunge. In der Schule habe ich damit sogar Geld verdient. Wer sehen wollte, wie ich mit der Zunge die Nasenspitze berühre, hat dafür
bezahlen müssen. Wenn ich heute noch einen Hauch von der Geschäftstüchtigkeit aus meiner Grundschulzeit übrig hätte, könnte ich froh sein.
     
    Als ich gegen viertel vor drei bei uns zu Hause ankomme, ist alles dunkel. Christoph sitzt nicht im Wohnzimmer und wartet auf mich. Er liegt nicht, wie ich, verstört auf der Couch – nein! –, sondern ganz normal im Bett. Und was macht er? Wälzt sich schlaflos vor Kummer hin und her? Keineswegs! Er schläft, tief und fest. Und nicht ein Anruf, nicht mal eine SMS den ganzen Abend auf meinem Handy. Wofür mache ich das alles? Zeigt der etwa so seine Eifersucht? Geht dieses stoische Verhalten bei Männern als Gefühlsregung durch? Oder hat er gar keine Gefühlsregung, weil er kein bisschen eifersüchtig ist, sondern im Gegenteil sehr froh, sehr froh (oh Gott, ich fange an zu reden wie Helmuth), dass ich mich ablenke und vor allem ihn mit meiner Hysterie, Eifersucht und dem gesamten zickigen Rest, der in mir steckt, in Ruhe lasse. Oder es ist Raffinesse. Er will nicht zeigen, wie verletzt er ist. Eines ist auf jeden Fall klar, meiner Logik sind der Alkohol und auch die

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