Treuepunkte

süß. Gedankenübertragung.
    Von wegen, es ist eine SMS von Helmuth: »War toll mit dir. Wann sehen wir uns wieder?« Ach du je, was mache ich denn jetzt mit dem? Das hat Zeit, beschließe ich – erst mein Kopf, dann Helmuth.
     
    Ich schleppe mich durch den Vormittag wie in Zeitlupe. Heike ruft an, um den aktuellen Stand der Beziehungskrise zu erfragen. Ich schildere alles so ausführlich wie möglich. Mitten im Gespräch fällt es mir wieder ein. Heike wollte doch was von mir. Wegen des Kindes. »Was wolltest du eigentlich von mir? Ich sollte dir doch bei der Kinderfrage behilflich sein?«
    Jetzt ist Heike in ihrem Element. »Na ja, also es wäre
toll, wenn du mit mir nach Südamerika fliegen könntest, nach Peru, um genau zu sein. Wenn möglich nächste Woche. Du weißt doch, die Lea hat so schlimme Flugangst und ich will gerne jemanden, dem ich hundert Prozent vertraue, dabei haben. Schließlich geht es ja um unser Baby. Und die Lea hat auch gesagt, es wäre das Beste, du würdest mitkommen. Wir zahlen natürlich deinen Flug. Kannst du das hinkriegen?« Was für eine tolle Einladung. Nach Peru. Zum Wollmützenshopping, Anden besichtigen und Baby aussuchen. Aber nächste Woche? Da sieht man wieder, wie wenig Heike vom Leben einer Mutter weiß. Eben mal nach Südamerika? Wie soll ich denn das machen? Außerdem fange ich morgen an zu arbeiten, und gleich übermorgen nach Urlaub zu fragen, erscheint mir doch ein wenig gewagt. Obwohl, wenn meine Schwiegereltern Zeit hätten, könnte so eine Reise durchaus eine tolle Sache sein. Vor allem, weil Reisen mit Heike immer äußerst erlebnisreich ist. Und weil sie eigentlich auch noch eine Reise bei mir gut hat.
     
     
    Die letzte Reise, die ich mit ihr gemacht habe, war meine Hochzeitsreise. Christoph hatte leider keine Zeit (aber das ist eine ganz andere und höchst komplizierte Geschichte. Nur soviel: er hatte die Wahl, mit mir in die Karibik zu fliegen oder einen riesigen Sprung auf der Karriereleiter zu machen, und er hat – mit meiner Einwilligung allerdings – die Leiter gewählt!) und deshalb ist Heike eingesprungen. Sexuell gesehen natürlich unerfreulich. Ansonsten aber ist eine Reise mit der besten Freundin fast empfehlenswerter als mit dem Liebsten.
    Eigentlich hatte Christoph eine Reise in die Karibik gebucht. »Wir aalen uns faul am Strand, trinken klebrige, süße Cocktails und nachts wälzen wir uns nackt und schön braungebrutzelt auf den Laken.« Ein nettes Programm für frisch Verliebte. Aber Heike hat einen höchst empfindlichen Teint, wird nicht braun, sondern erst rosa und dann tiefpink und wegen der sexuellen Präferenz (ich bin nun mal hetero) wird es mit dem Lakenrollen bei uns auch schwierig. Also beschließen wir umzubuchen, denn nur wegen klebriger Drinks in die Karibik zu fliegen, ist dann doch übertrieben. Weil Heike so lieb ist einzuspringen, sage ich, dass sie bestimmen darf, wohin wir fahren. »Geh ins Reisebüro und buch um. Ich lass mich überraschen«, ködere ich sie. Heike mag solche Spiele und nimmt sie auch wirklich ernst.
    Ich weiß bis zwei Stunden vor dem Abflug nicht, wohin wir fliegen. Ich bettele und bittele, aber sie gibt mir nur Packanweisungen und kleine Hinweise. »Die Stadt, in die wir fliegen, fängt mit C an, es gibt viel Wasser und die Männer tragen lässige Kopfbedeckungen.« Ich bin mir sicher: da kommt nur Casablanca infrage. Cottbus ist ja nun wirklich nicht für lässige Kopfbedeckungen bekannt. Leider bin ich mir nicht mehr sicher, ob Casablanca in Marokko oder Algerien liegt. Auf jeden Fall in Afrika. Aber wieso ich auch warme Klamotten mitnehmen soll, verstehe ich deshalb allerdings nicht. Egal ob Marokko oder Algerien – ich habe offensichtlich wenig Ahnung von Afrika. Aber dass es dort warm ist, ist ja nun doch international bekannt. Und komische Kopfbedeckungen gibt es dort auch. Zum Beispiel dieses Modell, das aussieht wie ein umgekehrter Blumentopf aus Filz
mit einer Kordel samt Bommel dran. Nennt man diese Art von Hut nicht Fes? Kroatien ginge eventuell auch noch, aber das schreibt man hier bei uns wohl eher mit K und ist ja auch keine Stadt. Ich spiele eine Art mentales Stadt-Land-Fluss. Chicago, Caracas, Cuxhaven (hat das überhaupt einen Flughafen?), oder etwa die Côte d’Azur mit Cannes? Ich zermartere mir mein Gehirn und bleibe bei Casablanca. Nicht nur wegen der einzigartigen Kopfbedeckung, sondern vor allem, weil »Casablanca« auch noch Heikes Lieblingsfilm ist. Wie oft habe ich mir von