Treuepunkte
Mountains. In Banff gibt es eine Hauptstraße und die ist voll mit Geschäften. Elch-T-Shirts, Mützen, Ahornsirup in jeder erdenklichen Verpackung, Bärenglöckchen, eben alles, was das Kanada-Touristenherz ersehnt. Und inmitten dieser Touri-Shops gibt es einen Louis-Vuitton-Laden. Beim ersten Blick wirkt er wie ein Fehler auf einem Suchbild. Nach dem Motto: Was gehört hier nicht her? Ein Louis-Vuitton-Laden in der Wildnis. Eigentlich vollkommen lächerlich, aber nicht dumm von Louis Vuitton, denn Banff ist ein klassisches Reiseziel für Japaner und die sind nun mal verrückt nach Louis Vuitton. In diesem Laden treffen wir dann auch auf Shigeru. Er will ein Foto von uns machen. Der Japaner an sich fotografiert nun mal gerne. Ich erzähle ihm sofort, dass ich schon zwei Elche gesehen habe, ganz aus der Nähe, lasse aber natürlich die blamable Radgeschichte weg. Er ist beeindruckt.
Dann reden wir über Louis Vuitton. Ich gebe damit an, dass ich eine Tasche von Vuitton habe. Gut, sie ist schon älter und auch nicht echt, aber alles muss man wildfremden Japanern ja auch nicht gleich sagen. Sein Englisch ist schlimm. Aber er gerät total in Ekstase, als ich ihm von meinem gebrauchten Täschchen erzähle. »Can I see it, buy it, used?«, fragt er mich aufgeregt. »We love used wear!«, fügt er noch hinzu und »I give you a lot of money«. Das klingt nicht übel. Lot of money für ein altes Fake-Täschchen. »How much?«, will Shigeru wissen. »How much and how many?« Jetzt heißt es, keinesfalls einen Fehler machen. Ich beschließe, total dreist zu sein und verlange 750 Kanadische Dollar und sage ihm auch ehrlich, dass es sich um ein kleines Modell handelt. »It’s very little and used!«, betone ich, schließlich bin ich kein Schwein und will Shigeru, der ja nun wirklich ein freundlicher Zeitgenosse ist, nicht völlig bescheißen. »Used is best. Where is it? Can you show?«, fragt er weiter und scheint von meinen Preisvorstellungen kein bisschen schockiert. Ich bin sehr froh, dass ich das Täschchen mithabe und ärgere mich fast schon, dass ich nicht 1000 Kanadische Dollar verlangt habe.
Wir verabreden uns für den Abend und ich bestelle ihn ins Hotel. In der Öffentlichkeit solch unfaire Geschäfte zu tätigen, erscheint mir heikel. Wer weiß, ob Gebraucht-Taschen-Dealerei zu horrenden Preisen in Kanada erlaubt ist? »I come in hotel, you show it«, bestätigt er die Einladung und verspricht, abends gegen neun Uhr bei mir zu sein. Ich könnte mich kaputtlachen. Das wird das Geschäft meines Lebens. Welch eine Eingebung, dass
ich die Tasche mitgenommen habe, aber sie ist die einzige, die einigermaßen zu meinem sandfarbenen Kostüm passt, das ich natürlich noch kein einziges Mal anhatte. Wo hätte ich es schon tragen können? Auch der Kaftan hat hier nur beschränkte Einsatzmöglichkeiten. Vielleicht kann ich den auch noch Shigeru andrehen. Heike dämpft meine Euphorie: »Das wird der merken. Diese Japaner kennen sich aus. Der macht doch keinen blöden Eindruck.« Wir werden sehen. Sie findet außerdem, dass ich ihm sagen muss, dass das Täschchen aus Tunesien ist und wahrscheinlich nicht mal echt ist. Ich weiß, dass es sich aus moralischen Gründen gehören würde, aber 750 Dollar sind ein sehr deutliches Argument dagegen.
»Mal abwarten«, beruhige ich Heike und wir gehen in eine echte Cowboybar zum Abendessen. Alles ist voll mit erwachsenen Männern, die Cowboyhüte tragen. Was bei uns, wenn überhaupt, an Fasching geht, ist hier völlig normal. Wenn ich Shigeru die 750 Dollar abluchsen kann, werde ich mir auch einen Hut kaufen. Sieht einfach lässig aus, so ein Cowboyhut. Wir essen gigantische Hamburger und kommen mit zwei Cowboys ins Gespräch. Der eine ist ein recht hübscher Kerl. So kernig, groß (kann natürlich auch an seinem Hut liegen) und bärtig. Heike vergrätzt die beiden, indem sie Lesbengeschichten zum Besten gibt. Ich bin ein wenig verärgert und wir streiten. »Das ist deine Hochzeitsreise, da kannst du dich doch nicht dermaßen angraben lassen. Das war nur zu deinem Schutz, dass ich denen erzählt habe, wir seien auf einer Lesbentour«, begründet sie ihre Vergraulgeschichte. Blöd von ihr, denn ich wollte den Cowboy ja nicht heiraten. Und außerdem – eine Hochzeitsreise
ohne den Bräutigam hat ja wohl andere Spielregeln als ein ganz gewöhnlicher Honey Moon.
Heike ist beleidigt und kommt deswegen auch um neun nicht mit ins Hotel. »Mach deine krummen Geschäfte lieber allein, ich
Weitere Kostenlose Bücher