Treuepunkte
ihr anhören müssen, dass man den kleinen Wicht Humphrey Bogart besser rausgeschnitten hätte, denn für sie ist allein Ingrid Bergman »Casablanca«. »Was bildet der sich ein, zu einer wie der Bergman zu sagen, ›Schau mir in die Augen, Kleines‹, bei seiner Körpergröße? Das ist doch Größenwahn. Typisch Mann.«
Wahrscheinlich werden wir jeden Originalschauplatz besuchen müssen, deshalb auch die festen Schuhe, die ich dringend mitnehmen soll. Heike äußert sich zu keiner meiner Vermutungen. »Warte es ab«, sagt sie nur lapidar. Ich insistiere: »Brauche ich eine Impfung, Gelbfieber, Malaria-Prophylaxe, Hepatitis oder sogar Cholera?« Sie verneint, was natürlich auch daran liegen kann, dass Heike Impfungen generell für Quatsch hält. Wegen des eigenen Immunsystems. »Ich habe Kinder, ich kann kein Risiko eingehen. Wenn du dir Cholera leisten kannst – gerne. Ich bin nicht wild drauf«, beharre ich auf Information. »Keine Impfung. Du brauchst nur einen gültigen Reisepass. Das ist alles. Und mehr sage ich nicht. Nicht mal, wenn du dich bis zum Abflug nackt an deinen Gartenzaun kettest«, antwortet sie. Eine schöne Idee. Nackt am Gartenzaun.
Wenn ich mal Langeweile habe und den Vorort in Wallung versetzen will, wäre das sicher eine Top-Idee. Vorher sollte ich aber mindestens fünf Pfund abspecken. So oder so, ich bin mal wieder erstaunt darüber, wie gut Heike die Klappe halten kann – ich wäre längst weich geworden. Ich verrate sogar Weihnachtsgeschenke vorab, weil ich so darauf erpicht bin zu sehen, wie sich jemand freut, und außerdem so beglückt bin, wenn ich glaube, ein passendes Geschenk gefunden zu haben, dass ich oft nicht bis Weihnachten warten kann.
Wir treffen uns am Flughafen und mittlerweile freue ich mich richtig auf Casablanca. Übrigens habe ich extra für die Reise einen dieser bodenlangen Kaftane erstanden, einen von der Sorte, den arabische Männer so gerne tragen mit ein wenig durchaus geschmackvoller Stickerei am V-Ausschnitt. Ich bin gerne landestypisch gekleidet. Man wirkt so polyglott und nicht wie ein typischer Tourist. Außerdem habe ich jede Menge Schickes für abends mit. Wenn wir in einem dieser Tausend-und-eine-Nacht-Hotels absteigen (und davon gehe ich insgeheim aus), will ich stilgerecht am fantastischen Büfett stehen. Ich habe drei Paar hochhackige Sandalen, mein Glitzertop, das kleine Schwarze und diverse Spaghettitops dabei. Für unsere Casablancagedächtnistour, um die ich garantiert nicht herumkomme, habe ich ein Paar Turnschuhe und einen Trenchcoat eingepackt. Mit anderen Worten: Ich bin für Afrika gerüstet.
Wir treffen uns im Terminal zwei des Frankfurter Flughafens und ich bin zweifach verwundert. Zum einen über Heikes Outfit:
Sie trägt Trekkingschuhe, eine Hose wie für eine Klettertour mit Hunderten von kleinen Täschchen und eine Fleecejacke. Das verunsichert mich. Wird es doch so frisch bei den Marokkanern? (Mittlerweile habe ich rausgefunden, dass Casablanca nach Marokko gehört.) Zum andern wird auf der gigantischen Anzeigetafel am Frankfurter Flughafen kein Flug mit dem Ziel Casablanca angezeigt. Heike umarmt mich zur Begrüßung und kichert über mein neues sandfarbenes Kostüm. Bis zum Check-in-Schalter lässt sie mich noch im Ungewissen.
Und dann steht da am Schalter London. Wir fliegen nach London? Ich bin leicht angesäuert. London schreibt sich beim besten Willen nicht mit C. Selbst Heike, die als Kind Legasthenie-Probleme hatte, sollte das wissen. »So you are flying via London to Calgary«, sagt die Frau vom British-Airways-Schalter, noch bevor ich Heike auf diesen Buchstabenkonflikt hinweisen kann. »Yes«, bejaht Heike diese Feststellung, dreht sich triumphierend zu mir um und strahlt mich an. Calgary. Aha. Ich bin wie vor den Kopf geschlagen. »Ja, aber Calgary ist doch nicht in Afrika«, stammle ich. »Habe ich das je behauptet?«, gibt sie keck zurück. »Wir fliegen nach Kanada, in die Rocky Mountains, Natur pur, Cowboys und endlose Weite.«
Gut, dass ich den bodenlangen Kaftan mithabe! Meine Einwände, bezüglich der Garderobe, findet sie kleinkariert. »Mach dich locker«, ist alles, was ihr dazu einfällt. Mehr bleibt mir auch nicht übrig, denn die Zeit reicht keinesfalls, um eben nochmal nach Hause zu fahren und umzupacken. Was soll’s. Dann werden die Kanadier von nun an halt denken, deutsche Frauen tragen bodenlange Gewänder und dazu Sandaletten.
Der Urlaub ist dann trotzdem eine Wucht. Die Rockys sind
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