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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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gehe noch ein wenig spazieren«, motzt sie. Soll sie doch. Beleidigt sein kann ich auch. Wenn ich ihr morgen einen Teil meiner 750 Dollar gebe, wird sie sich schon wieder abregen. Wir streiten eigentlich nie lange. Heike ist einfach ein wenig aufbrausend, aber es legt sich jedes Mal schnell wieder. Um viertel vor neun bin ich auf meinem Zimmer. Ohne Heike. Gerade rechtzeitig für Shigeru. Der kleine Kerl ist überpünktlich und ich habe die Tasche noch gar nicht rausgesucht. Es scheint ihm wirklich ernst zu sein, sonst wäre er ja nicht gekommen. Er hat sein tiefschwarzes Haar frisch gegelt und kaum ist er im Raum, fragt er: »Where is it, can I see?« Meine Güte, hat der es eilig. Ich biete ihm einen Drink an. Japaner vertragen ja angeblich nicht viel und wenn er leicht einen sitzen hat, merkt er vielleicht auch nicht, dass mein Täschchen nicht ganz echt ist. Obwohl – wer weiß? Schließlich hat mir der tunesische Verkäufer auch gesagt, es wäre ein »original bag«. Wenn Shigeru also merkt, was Sache ist, kann ich immer noch so tun, als wäre ich ein naives deutsches Mädchen ohne jegliche Markenkenntnis. Shigeru will zunächst nichts trinken. Ich muss ihn richtiggehend beschwatzen. Ich mache eine Flasche Rotwein auf und sage ihm, dass man in Deutschland Geschäfte nur so macht. »First drink, than business.« Er fügt sich und trinkt mit, allerdings recht zaghaft. Als er auf die Toilette muss, bittet er mich, solange vor der Tür zu warten. »Noise toilet very ashamed«, stammelt
er. Na gut. Ich habe schon mal irgendwo gelesen, dass die Japaner sehr schamhaft sind und es als peinlich gilt, die Toilettenspülung zu hören. Und das bei den kleinen Wohnungen, die die haben. Da steht ja ständig einer auf der Straße.
    Nach zwei Gläsern Rotwein sieht er aus, als wäre er so weit. Ich zeige ihm die Tasche, er guckt seltsam und ich fange sofort an, mich zu schämen. Er merkt es. Verdammt! Ich verkrümle mich auf die Toilette und bitte ihn, ebenfalls solange vor der Tür zu warten. Jetzt kann er sich verziehen, ohne mir etwas erklären zu müssen, und wir beide sind aus der Nummer raus. Ohne Gesichtsverlust für mich. Ich habe richtig Angst, dass Shigeru sauer wird. Grund dafür hätte er, vor allem bei der Vorfreude, die er offensichtlich hatte. Aber schlagen wird er mich hoffentlich nicht. Ich glaube, er hätte nicht mal gegen mich eine Chance. Ich warte etwa vier Minuten im Badezimmer und betätige mehrfach die Spülung, damit er auf jeden Fall vor der Tür bleibt. Als ich zurück ins Zimmer komme, ist er tatsächlich weg und mein Louis-Vuitton-Täschchen auch. Auf dem Tisch liegt Geld. Ich zähle es. 1000 kanadische Dollar. Ich kann es nicht glauben und zähle noch einmal. Es sind wirklich 1000 Dollar. Ist der komplett verrückt? Für das Geld könnte er sich eine nagelneue, echte Tasche kaufen. Und vor allem, wieso ist er weggelaufen? Merkwürdiges Geschäftsgebaren. Aber fremde Länder – fremde Sitten. Haben schon meine Eltern immer gesagt.
    Trotzdem – gut, dass wir morgen wieder Richtung Calgary fahren, es wäre mir doch sehr unangenehm, Shigeru nochmal zu treffen. Ich trinke zur Feier den Rest des Rotweins,
und als Heike wiederkommt, erzähle ich ihr die Geschichte. Sie hat Shigeru noch auf der Hauptstraße getroffen. »Und war er komisch, hat er was gemerkt?«, frage ich ängstlich. »Nee, ich glaube nicht, er hat sich sogar bedankt und geschwärmt. ›Good business, fair price‹ hat er gesagt.« Unglaublich. Schade, dass ich nicht noch mehr Fake-Täschchen mithabe. Heike und ich vertragen uns wieder und nachdem Shigeru nicht mehr auftaucht, können wir beide sehr über die Geschichte lachen. Noch im Bett giggeln wir vor uns hin und beschließen, in Calgary von dem unerwarteten Geldsegen richtig schön shoppen zu gehen.
     
    Heike vergeht das Lachen am nächsten Morgen, als sie aus der Dusche kommt und ihren Beutel mit der Schmutzwäsche sucht. Weg. Ihre Plastiktüte mit der Dreckwäsche hat sich anscheinend in Luft aufgelöst. Während ich noch überlege, wo wir sie gelassen haben, sagt Heike nur: »Mein Gott. Used wear! Von wegen Louis-Vuitton-Tasche! Jetzt ist mir alles klar. Deshalb hat der auch soviel gelatzt. Der ist ein Unterwäschefetischist. Und er hat meine mitgenommen. Wahrscheinlich weil die hier so günstig lag. Also her mit den 1000 Dollar. Die Tasche war nur ein Pseudogeschäft. Zur Tarnung.« Ich bin absolut fassungslos. Shigeru soll Heikes Schmutzwäsche geklaut haben? Hat er etwa

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